# taz.de -- Homosexuelle Olympioniken: Ein Treffpunkt für die Unsichtbaren | |
> Nur wenige Olympia-Athleten leben offen schwul oder lesbisch. Aber die | |
> sind sehr erfolgreich. Ihr Treffpunkt in London: das – vom IOC nicht | |
> unterstütze – Pride House. | |
Bild: Eine von 19 olympischen Lesben, die erfolgreich war: Die niederländische… | |
Am Haus hängt kein Hinweis auf die derzeitigen Bewohner. Wer nicht weiß, | |
dass der hellbraune Klinkerbau in Londons Luxusviertel Limehouse Basin | |
zwischen dem Regent’s Canal und der Themse das Pride House ist, findet es | |
nicht. Es ist während der Olympischen Spiele der Treffpunkt für Lesben, | |
Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle. Oben am Gebäude steht der Name der | |
Organisation, der das Haus gehört: Cruising Association. Ausgerechnet. | |
„Cruising“ beziehe sich in diesem Fall auf das Kreuzen auf dem Wasser, sagt | |
Paul Brummitt. Der rundliche Däne ist im Vorstand der Gay & Lesbian | |
International Sports Association (Glisa), er spricht fließend Deutsch, weil | |
er in Frankfurt gelebt hat. „Schwule und Lesben sind im Spitzensport | |
unsichtbar“, sagt er. „Sie outen sich höchstens zum Ende ihrer Karriere.“ | |
In dem großen Raum im Erdgeschoss, wo in der Ecke eine Bar untergebracht | |
ist, gibt es eine Ausstellung über die Geschichte lesbischer und schwuler | |
Olympioniken, zum Beispiel der Tennisspielerinnen Martina Navratilova und | |
Amelie Mauresmo, des Zehnkämpfers und Gay-Games-Gründers Tom Waddell und | |
des kanadischen Schwimm-Olympiasiegers von 1992, Mark Tewksbury. Natürlich | |
fehlt [1][Greg Louganis] nicht, der 1984 und 1988 jeweils | |
Doppelolympiasieger im Wasserspringen war. | |
„Against the Rules“ ist eine Wanderausstellung, die von dem Kölner Centrum | |
Schwule Geschichte konzipiert wurde. „Bei den Spielen in London sind [2][22 | |
offen Homosexuelle] dabei“, sagt Brummitt, „darunter nur drei Männer. Das | |
ist nicht viel, wenn man bedenkt, dass mehr als 10.000 Menschen bei den | |
Wettkämpfen antreten.“ | |
## Coming out ist kein Problem | |
Bei den Paralympischen Spielen, die am 29. August in London beginnen, sind | |
von rund 4.200 Athleten nur zwei offen homosexuell. In vielen Ländern sei | |
das Coming-out kein Problem, meint Brummitt. So sei Tewksbury bei den | |
Spielen in London Chef de Mission des kanadischen Teams, er hat das Pride | |
House vorige Woche besucht. | |
Und auch das Olympia-Organisationskomitee in London begrüßte das Pride | |
House. Es sei „eine einmalige Gelegenheit, um London und das Vereinigte | |
Königreich als kosmopolitisch und integrativ zu präsentieren“, sagte | |
Komiteechef Paul Deighto. Aber das Haus durfte nicht auf dem olympischen | |
Gelände stehen und wird vom Internationalen Olympischen Komitee (IOC) nicht | |
unterstützt. | |
Nicht nur im Iran oder in Westafrika sei die Sicherheit homosexueller | |
Athleten gefährdet, sagt Brummitt, sondern auch in Osteuropa sei es für sie | |
riskant. Bei ihren Euro Games, die 1992 in Den Haag gegründet wurden und | |
Ende Juni in Budapest stattfanden, musste ein großes Polizeiaufgebot die | |
5.000 Teilnehmer schützen, sie mussten ihre Wettkämpfe hinter einem | |
Gitterzaun austragen. Im russischen Sotschi, wo in zwei Jahren die | |
Winterspiele ausgetragen werden, hat ein Richter ein Pride House sogar | |
verboten. | |
## Opfer der Austeritätspolitik | |
In London sollte das Pride House ursprünglich auf dem Clapham Common | |
stehen, sagt der Menschenrechtsaktivist Peter Tatchell, der in den 1990er | |
Jahren zum berühmtesten britischen Aktivisten der Lesben- und | |
Schwulenbewegung wurde. Am Morgen hat er an einer Informationsveranstaltung | |
im Pride House teilgenommen, jetzt unterhält er sich bei Kaffee und Kuchen | |
mit den Organisatoren. „Wir wollten ein riesiges Zelt aufstellen“, sagt er, | |
„George Michael und Elton John wollten auftreten. Doch dann musste die | |
Sache abgesagt werden, weil die Sponsoren absprangen. Das Fest wurde Opfer | |
der Austeritätspolitik.“ | |
Tatchell, der von der Daily Mail einmal als „schwuler Terrorist“ beschimpft | |
wurde, setzt sich bei den Spielen gegen die Diskriminierung von Frauen ein: | |
„Frauen werden bei Olympia diskriminiert, und das IOC duldet das. Es gibt | |
viel mehr Wettbewerbe für Männer. Aufgrund der sexistischen Annahme, dass | |
Frauen das schwächere Geschlecht seien, gibt es kein 50-Kilometer-Gehen und | |
keinen Zehnkampf für Frauen.“ Beim Marathon der Männer überreiche der | |
IOC-Präsident die Medaillen, fügt er hinzu, bei den Frauen schicken sie | |
irgendeinen kleinen Funktionär. | |
Während der IOC-Konferenz im Royal Opera House demonstrierte Tatchell mit | |
anderen Aktivisten gegen die Diskriminierung von Frauen und Homosexuellen. | |
„In mehr als 150 Ländern müssen homosexuelle Athleten ihre Sexualität | |
verstecken, um ins Olympia-Team zu kommen“, sagt Tatchell. „Wenn sie | |
auffliegen, werden sie aus der Mannschaft geworfen, und sie riskieren | |
Verhaftung und Gefängnis. Das IOC unternimmt nichts dagegen. Wenn das | |
Gleiche mit Schwarzen geschähe, gäbe es einen Aufschrei.“ | |
11 Aug 2012 | |
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## AUTOREN | |
Ralf Sotscheck | |
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