# taz.de -- Sex bei den Olympischen Spielen: Eine Privatparty für harte Körper | |
> Nach dem Spiel ist vor dem Vorspiel: Zwei Wochen lang ähnelt das | |
> Olympische Dorf einem Swinger-Club. Knackärsche und stramme Schenkel | |
> verlocken die SpielerInnen. | |
Bild: Knick Knack: 150.000 Kondome wurden an die Athleten im Olympischen Dorf v… | |
It's Partytime! Wenn der Sport absolviert ist, beginnt das Lotterleben von | |
London. Sagen zumindest Athleten wie die amerikanische Fußballerin Hope | |
Solo. Die US-Fußball-Nationaltorhüterin hat die Moralapostel und | |
Sittenwächter [1][aufgeschreckt]: „Da läuft viel mit Sex. Ich würde sagen, | |
es sind 70 bis 75 Prozent der Olympioniken.“ | |
Lotterleben in London? Im olympischen Dorf wurden jedenfalls 150.000 | |
Kondome für die über 10.000 Athleten und Athletinnen verteilt – was | |
immerhin einem Durchschnittskoituswert im schwulen (und | |
männlich-heterosexuellen) Bereich von 15 Akten in zwei Wochen entspricht, | |
sofern alle Athleten die ganze Zeit der Sommerspiele in London bleiben. Ja, | |
möchte man sagen: Als hätten die nicht noch andere Höchstleistungen zu | |
erbringen. | |
Die Zeitung The Independent rechnet mit regem Verkehr und titelt: „The Sex | |
Games.“ Dabei haben die meisten Teamleitungen die Schlafräume streng nach | |
Geschlechtern getrennt. Kann denn die körperliche Ertüchtigung auf diesem | |
Feld anstößig, ja Sünde sein? Zuviel verlangt an einem Ort, wo so | |
unglaublich viele allenfalls karg verhüllte Körper versammelt sind: | |
Knackärsche, Waschbrettbäuche, entblößte Beine im Übermaß. | |
Hope Solo, Olympiasiegerin von 2008 und von schlüpfrig orientierten Medien | |
zum sogenannten „katzenäugigen Sexsymbol“ ausgerufen, berichtet freimütig | |
über Freizügigkeiten im Zeichen der fünf Ringe: „Ich sah Athleten, die | |
trieben es einfach im Freien, direkt auf dem Rasen oder zwischen den | |
Gebäuden“, sagt die 30-Jährige und prophezeit: „Es wird da ganz schön | |
schmutzig.“ Ms. Solo weiß vielleicht nicht, was sie sagte, denn: Was sollte | |
unrein am Sexuellen sein? | |
## Sex für jeden Geschmack | |
Protzen mit der Potenz gehört dazu – bei so manchen Machos: „Wenn ich | |
erstmal mein Vermächtnis auf der Bahn hinterlassen habe, dann bin ich | |
sicher, dass man sich in London an mich erinnern wird“, scherzt der | |
amerikanische 400-Meter-Star LaShawn Merritt mit Blick auf die Ladys – | |
nicht: Gentlemen offenbar! – aus aller Welt und brüstet sich schon mal mit | |
seinen sogenannten Eroberungen. | |
Sein Landsmann Nelson Diebel, zweifacher Goldmedaillengewinner im Schwimmen | |
von Barcelona 1992, beschreibt das wilde Treiben an Land so: „Es ist eine | |
zweiwöchige Privatparty für Tausende von harten Körpern. Es ist wirklich | |
eine Geschmacksfrage.“ Sollte wohl heißen: Für jeden Geschmack ist etwas | |
dabei, eye-candy-mäßig. | |
Ex-Schütze Josh Lakatos sagt über die Zügellosigkeit in Sydney 2000 gar: | |
„Ich betrieb ein Bordell im olympischen Dorf. In meinem ganzen Leben habe | |
ich noch nie so viele Ausschweifungen gesehen.“ Die „wahren Olympischen | |
Spiele“, klagt ESPN, würden nicht übertragen – aber sie wären ohnehin ni… | |
jugendfrei, denn „the games“ sind ja am Ende nicht eine Variante der | |
Big-Brother-Shows. | |
Der US-Sportsender jedenfalls zeigt auf seiner Internetseite eine schöne | |
Grafik: fünf Kondome in den Farben der Ringe. Sex in the City, Sex im Dorf | |
– das ist keine öffentliche Veranstaltung. Das Olympische Dorf war, | |
nebenbei, bereits in München 1972 eine außergewöhnlich heiter gesinnte | |
Community, ja, eine Cruising Area internationalsten Maßes. In London | |
jedenfalls sind zu viele Überwachungskameras installiert und zu viele | |
Sicherheitsleute unterwegs im Massenquartier der Sportler. | |
## Deutsche wollen keinen Sex | |
Die neue – globale, oft religiös definierte – Prüderie ist auch in London | |
Teil des Zeitgeistes. Und so bleibt vieles unter der blauen Decke, die die | |
Athleten in ihren Betten haben. So unverfroren wie Hope Solo sprechen die | |
wenigsten über erotische Zonen bei den Spielen. | |
Der Deutsche Olympische Sportbund hält sich beim Thema Verhütung sowieso | |
raus. „Kondome sind keine dabei“, sagt Hockeyspieler Philipp Zeller der ARD | |
über die Standard-Ausstattung der deutschen Sportler. „Werden wir | |
wahrscheinlich aber auch nicht brauchen.“ Ob wahrhaftig oder fromm | |
geflunkert: Bleibt zu hoffen, dass die Goldmedaillengewinner von 2008 | |
enthaltsam sind – und nicht leichtsinnig. In welcher Hinsicht auch immer. | |
Nicht einmal das Schwimm-Traumpaar Britta Steffen und Paul Biedermann teilt | |
sich eine Unterkunft im Dorf, dabei sind die deutschen Sportverbände da | |
ziemlich locker. „Ich bin von vielen schönen Menschen umgeben“, sagt | |
Steffen der Nachrichtenzeitschrift Bunte, der Flirtfaktor liege dennoch bei | |
Null: „Ich bin ja nicht auf der Suche nach Liebe.“ | |
Den australischen Schützen Russell Mark, Olympiasieger von 1996, regt die | |
keusche Zimmerordnung indes mächtig auf: Er darf nicht gemeinsam mit | |
Ehefrau Lynn im Olympischen Dorf nächtigen. „Das Verrückte ist, dass es | |
unzählige schwule Paare in der Mannschaft gibt, die sich einen Raum teilen. | |
Wir werden diskriminiert, weil wir heterosexuell sind.“ Namen nannte der | |
Sportler aus Down Under nicht. | |
## Erst Olympia dann der Altar | |
Warum auch die Triebe kontrollieren? Schließlich ist aus so mancher Liaison | |
beim weltgrößten Sportereignis schon ein Ehepaar geworden. Franziska van | |
Almsicks in Sydney entflammte Liebe mit Handballpseudoexzentriker Stefan | |
Kretzschmar hielt nur eine Olympiade – vier Jahre. | |
Auch der Schweizer Tennisheld Roger Federer hat seine spätere Frau Mirka, | |
eine frühere Tennisspielerin, 2000 in Australien kennengelernt. Die beiden | |
sind seit 2009 verheiratet und haben Zwillinge. „Wir kannten uns vorher | |
schon ein bisschen. Aber sie ist halt drei Jahre älter. Die ganzen | |
Olympischen Spiele lief's ganz gut im Dorf, und dann plötzlich gab's da am | |
letzten Tag diesen Kuss“, sagt Federer. | |
„Olympia ist dazu da, Leute zu treffen. Es gibt viele Geschichten über | |
Leute, die sich kennengelernt, geheiratet und den Rest ihres Lebens | |
zusammengelebt haben“, erklärt Dorfbürgermeister Duncan Goodhew. „Lassen | |
Sie uns hoffen, dass – ich sage mal – in London viele Bünde fürs Leben | |
geschlossen werden.“ | |
So wie beim berühmtesten Paar der Olympia-Geschichte: Hostess Silvia | |
Sommerlath lernte in München '72 den schwedischen König Carl XVI. Gustaf | |
kennen. Und wenn schon nicht für's Leben – dann doch hoffentlich für einen | |
guten One-Longer-Moment-Stand. (JAF/dpa) | |
27 Jul 2012 | |
## LINKS | |
[1] /!97981/ | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Homosexuelle Olympioniken: Ein Treffpunkt für die Unsichtbaren | |
Nur wenige Olympia-Athleten leben offen schwul oder lesbisch. Aber die sind | |
sehr erfolgreich. Ihr Treffpunkt in London: das – vom IOC nicht unterstütze | |
– Pride House. | |
Queer-Forscher über Olympia und Sex: „Sport plus Porno gleich Sporno“ | |
Viel Körper, viele Slips, viel Schweiß. Bei Olympia faszinieren uns die | |
Körper. Queer-Forscher Peter Rehberg erklärt, wie Olympia, Sport und Porno | |
zusammenhängen. | |
Homosexuelle bei Olympia: Nie waren die Spiele schwuler | |
Olympischer Rekord: 22 bekennend homosexuelle Athleten und Athletinnen | |
gehen an den Start – so viele wie noch nie. Weitere Outings könnten folgen. | |
Gegen Olympia!: Olympia? Hau weg den Scheiß! | |
Die Olympischen Spiele sind ein sozialdemokratisch-machistisch-neoliberales | |
Spektakel mit Nazi-Ästhetik. Manche der Sportarten sind gar kein Sport. | |
Für Olympia!: Olympia? Wunderbar, her damit! | |
Die Olympischen Spiele sind die globalisierende Utopie einer besser | |
werdenden Zeit. Erst die Kommerzialisiserung hat sie davon befreit, eine | |
elitäre, weiße Veranstaltung zu sein. | |
Olympiastadt London: Stadt des beißenden Humors | |
Es gibt keinen besseren Ort für die Sommerspiele: London nimmt alle | |
Widersprüche und Kreativität der Welt auf, ist gelassen und lässt Neues | |
entstehen. |