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# taz.de -- Video der Woche: Gangbang unter freiem Himmel
> In London sind die türkischen Ölringer nicht dabei. Dafür feiern sie
> jedes Jahr ihr eigenes Olympia an der bulgarischen Grenze. Um Homoerotik
> geht es natürlich gar nicht.
Bild: Wo hat der denn seine Hand?
Ihre in Olivenöl eingeriebenen Körper glänzen in der glühenden Sonne. Sie
wälzen sich auf dem Gras, die Leiber verschlingen sich ineinander. Dutzende
von Kämpfern sind anfangs gleichzeitig auf dem Rasen, erst nach und nach
dezimiert sich das Klassement. Das Ziel: dem Anderen in den Schritt zu
greifen, die Hand unter die ebenfalls in Öl getränkte, zehn oder mehr Kilo
schwere, wasserbüffellederne Hose – zu bekommen, sich dort festzuklammern,
um dem Gegner schließlich im wahrsten Sinn des Wortes in den Griff zu
bekommen.
Gewonnen hat, wer den Gegner hochheben und drei Schritte mit ihm machen
kann oder dessen Schultern auf den Boden drückt. Der Wettkampf findet unter
freiem Himmel statt, unermüdlich tönen dazu die schrillen Klänge der
türkischen Oboe, der zurna, und und das rhythmische Grollen der davul, der
orientalischen Trommel, und versetzen die Kämpfer, die pehlivan, und
Zuschauer in eine Trance.
Die Rede ist vom Ölringen, dem yağlı güreş, und natürlich ist diese
Disziplin keine olympische. Zwar wird bei den Olympischen Spielen
[1][durchaus gerungen,] im Freistil, der am Wochenende seinem Höhepunkt
entgegengeht, und im griechisch-römischen Stil, wo der Wettbewerb bereits
beendet ist. Dafür hat das Ölringen jährlich sein eigenes Olympia: die
Wettkämpfe von Kırkpınar, die Ende Juni, Anfang Juli auf der Halbinsel
Sarayiçi nahe der türkisch-bulgarischen Grenze ausgetragen werden. Deren
Geschichte reicht zwar nicht so weit zurück wie die Olympischen Spiele der
Antike, aber ist wesentlich älter als die Spiele der Neuzeit. 1361 soll der
erste Wettkampf ausgetragen worden sein.
Die Wettkämpfe von Kırkpınar sind ein großes Volksfest, zu dem Ringer und
Zuschauer aus dem ganzen Land anreisen und das sich inzwischen auch bei
Touristen einer wachsenden Beliebtheit erfreut. Gut zehn Jahre ist es her,
dass Angehörigen der Istanbuler „Bären“ – eine internationale, betont
maskuline schwule Subkultur – ankündigten, gemeinsam mit schwulen
ausländischen Gästen die Ringkämpfe von Kırkpınar zu besuchen und damit
eine bizarre Diskussion auslösten.
Der damalige Innenminister entblödete sich nicht, eine geheime Verfügung zu
erlassen, die schwulen Touristen die Einreise verwehrte. Am Küstenort
Kusadasi wurde daraufhin ein Kreuzfahrtschiff mit schwulen Amerikanern
zurückgewiesen, und der türkische Staat hatte sich einmal mehr vor aller
Welt lächerlich gemacht.
Zu einem offenen gemeinsamen Besuch der Ringkämpfe kam es zwar auch im
Folgenden nicht, die Öl-Ringkämpfer aber wurden nie wieder ihren Ruf als
Pin-up-Boys los. Wer sich den glitschigen Kampf dieser eng aneinander
reibender Leiber sieht, kann leicht verstehen, warum dieser Nationalsport
manchem Bären wie ein Gangbang-Open-Air vorkommen muss.
Gerade weil in Kırkpınar niemand offen über Sexualität spricht, man sich
offiziell allein zum sportlichen Wettkampf verabredet, kann dieser Sport
derart sexuell aufgeladen werden – und keineswegs nicht nur mit
homosexuellen Phantasien, wie schon Melina Mercouri in ihrem Film „Topkapi“
aus dem Jahr 1964 zeigte. Auch [2][hier] sieht man: Ölringer sind sexy.
Kurz: Im Vergleich zum Ölringen ist [3][Beachvolleyball], den manche für
den Inbegriff der Verschmelzung von Sport und Pornographie, von
[4][Sporno], halten, eine Leibesertüchtigung für Klosterschüler.
10 Aug 2012
## LINKS
[1] /Olympia--Ringen/!99328/
[2] http://www.vaybee.de/deutsch/channel/lifestyle/76175.php
[3] /Olympiafinale--Beachvolleyball-Frauen/!99211/
[4] /Queer-Forscher-ueber-Olympia-und-Sex/!99112/
## AUTOREN
Deniz Yücel
## TAGS
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
Schwerpunkt USA unter Donald Trump
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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