# taz.de -- Olympia – Ringen: Sie trägt den Vater Huckepack | |
> Hercules war in Wirklichkeit Japaner und eine Frau. Ihre stolze | |
> Nachfolgerin ist die mehrfache Olympiasiegerin und eine Meisterin im | |
> Ringen, Saori Yoshida. | |
Bild: Eine wahre Kämpfernatur: Saori Yoshida | |
LONDON taz | Nein, nein, ich mache das. Saori Yoshida wollte den Fans noch | |
einmal zeigen, wer hier der stärkste Mensch des Abends war. Ihr Vater | |
Eikatsu wollte die Ringerin auf seine Schultern nehmen und sie nach ihrem | |
Sieg im Freistilringen der Frauen bis 55 Kilo über die Matte tragen. Am | |
Ende saß er auf den Schultern seiner Tochter. Die ließ sich für ihre dritte | |
Goldmedaille bei ihren dritten Olympischen Spielen von den japanischen Fans | |
feiern. Sie waren zahlreich erschienen. | |
In Japan kennt jeder die starke Frau. Sie hatte die japanische Fahne ins | |
Olympiastadion getragen und war die erste Ringerin, die als Sportlerin des | |
Jahres ausgezeichnet worden ist. Wer glaubt, dass Japan eine Judo-Nation | |
ist, mag Recht haben, dass Japan eine Ringer-Nation ist, war offensichtlich | |
in London. Drei der fünf Freistilwettbewerbe der Frauen wurden von | |
Japanerinnen gewonnen. Jede wurde von Hunderten Fans gefeiert, die die | |
Stahlrohrtribünen zum Wackeln brachten. | |
Die britschen Zuschauer saßen derweil meist ratlos in der Halle. Zu feiern | |
gab es nichts für die Team-GB-Fans. Nur eine Sportlerin war für | |
Großbritannien angetreten, die umstrittenste Plastik-Britin. Um überhaupt | |
jemanden auf die Matte schicken zu können, wurde noch im Mai die gebürtige | |
Ukrainerin Olga Butkevych mit einem britischen Pass versehen. | |
Zwei andere Britinnen hätten starten dürfen, doch es fand sich keine, die | |
gut genug für einen olympischen Kampf gewesen wäre. Sechs Minuten dauerte | |
das britische Gastspiel auf der Matte. Butkevych verlor ihren Auftaktkampf | |
gegen Lissette Alexandra Antes Castillo aus Ecuador. Als es nichts mehr zu | |
jubeln gab, versuchten die britischen Zuschauer, zu verstehen, was ihnen da | |
auf der Matte geboten wurde. | |
## Umstrittene Schiedsrichterentscheidungen | |
Ein Experte erklärte während der Kämpfe, was zu sehen war – was es bedeutet | |
zum Beispiel, wenn die meist kleinen, oft untersetzten und immer unter | |
Starkstrom stehenden Trainer einen Gummiquader auf die Matte werfen. Sie | |
machen das, wenn sie mit einer Wertung nicht einverstanden sind. Die Jury | |
schaut sich dann die umstrittene Szene noch einmal an. Die Aktion ist auch | |
auf der Videowand für alle noch einmal zu sehen. | |
Das Ringen hat wie viele andere Kampfsportarten immer seine Probleme mit | |
Schiedsrichterentscheidungen. Bei den Spielen von Peking hatte ein | |
umstrittenes Urteil für einen der größten Eklats der Spiele gesorgt. Weil | |
sich der schwedische Ringer Ara Abraham verschaukelt fühlte, ließ er seine | |
Bronzemedaille nach der Siegerehrung einfach auf dem Podium liegen. | |
Es ging um den magischen Sack. Aus dem muss eine Kugel gezogen werden, wenn | |
30 Sekunden vor Ende einer Runde niemand eine Wertung erzielt hat. Je nach | |
Farbe der Kugel, darf entweder der rote oder der blaue Ringer nach dem | |
Anpfiff an die Beine des Gegners greifen. Abraham hatte damals gemutmaßt, | |
dass die Jury nicht zufällig die Kugel mit der Farbe seines italienischen | |
Halbfinalgegners gezogen hatten. | |
Er sprach von Mafia und davon, dass der Ringerverband fest in italienischer | |
Hand sei. Eine typische Kampfsportgeschichte. Der Verband hat daraus seine | |
Konsequenzen gezogen. In London zieht kein Kampfrichter die Kugel, sondern | |
eine Athletin, die nicht sehen kann, welche Farbe sie greift. Denn die | |
Kugeln sind in gleichfarbige Kugeln verpackt. Alles klar? Der Experte am | |
Hallenmikrofon hat viel zu erklären für die Ringerlaien auf den Rängen. | |
## Eine uneinholbare Olympiasiegerin | |
Saori Yoshida wird das egal sein. Bei der 29-Jährigen gibt es für | |
gewöhnlich keine umstrittenen Entscheidungen. In London gelang es keiner | |
Gegnerin, auch ihrer kanadischen Finalrivalin Tonya Verbeek nicht, einen | |
einzigen Wertungspunkt gegen die Japanerin zu erringen. Dabei galt Yoshida | |
vor den Spielen nicht mehr als unschlagbar. Nach zwei Olympiasiegen, neun | |
Weltmeistertiteln und 58 siegreichen Kämpfen hintereinander war sie im Mai | |
beim Team-Weltcup geschlagen worden und hatte bitterlich geweint. | |
Vater Eikatsu, der die kleine Saori mit drei Jahren auf die Matte geschickt | |
hat, übernahm. „Sie ist nicht mehr so schnell wie zu ihren besten Zeiten“, | |
sagte er und impfte ihr ein, dass sie immer angreifen muss. Sie hat | |
verstanden, auch wenn sie „echt gestresst“ war vor dem Kampf, wie sie | |
zugab. Bei Saori Yoshida gab es dann immer eine Wertung. Es musste nicht in | |
den magischen Sack gegriffen werden. Im London war Saori in ihren | |
Ringeranzug mit dem Tiger auf der Brust wieder einmal die Stärkste. Das | |
haben alle verstanden in der Halle – auch ohne Expertenkommentar. | |
10 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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