# taz.de -- Interview mit Grünen-Fraktionschefin Pop: "Das Lotterleben ist vor… | |
> Am Donnerstag geht die Grünen-Fraktion in Klausur. Ihre Chefin, Ramona | |
> Pop, drängt darauf, Flughafenchef Rainer Schwarz zu entlassen. Auch | |
> Wowereits Tage seien gezählt. | |
Bild: Shaking heads: Klaus Wowereit und Ramona Pop. | |
taz: Frau Pop, weckt es nicht Erinnerungen an verpasste Chancen, wieder im | |
brandenburgischen Kremmen zu sein? Als sie dort 2010 in Klausur gingen, | |
wurden die Grünen in einer Umfrage erstmals stärkste Partei in Berlin und | |
schienen auf dem Weg ins Rote Rathaus zu sein. | |
Ramona Pop: Es gibt halt Aufs und Abs in der Politik und überraschende | |
Wendungen … | |
… das ist jetzt eine schöne Umschreibung für das, was die Grünen mit Renate | |
Künast bei der Abgeordnetenhauswahl erlebten. | |
Wer hätte denn vor vier, fünf Jahren gedacht, dass wir mal so eine | |
Situation wie bei der Klausur 2010 erleben würden, als wir plötzlich in den | |
Umfragen vorn lagen? Ein Jahr nach der Wahl können wir jedenfalls | |
feststellen, dass die grüne Fraktion als größte Fraktion ihrer | |
Verantwortung als Oppositionsführerin nachkommt. Wir stellen diesen Senat | |
und werden ihn nicht nur mit den Ergebnissen unserer Klausur vorantreiben. | |
Womit denn sonst? | |
Nach fast einem Jahr Rot-Schwarz muss man doch sagen: Jetzt ist das | |
Lotterleben des Senats vorbei. Dieser Herbst wird vor allem für Klaus | |
Wowereit politisch brisant, wenn man sich anschaut, welche Brocken da vor | |
ihm liegen. | |
Benennen Sie diese Brocken doch mal. | |
Vor allem natürlich der Flughafen, der täglich neue Hiobsbotschaften | |
produziert. Dann aber auch die offenen Fragen von ICC, Risikoabschirmung | |
der Bankgesellschaft, Landesbibliothek – wahrscheinlich wird man das dafür | |
eingeplante Geld in den Flughafen stecken müssen – wie auch die | |
Versäumnisse in der Mietenpolitik. | |
Bleiben wir mal beim Flughafen. Was macht der Senat falsch? | |
Die Aufsichtsratssitzung muss Klarheit über den Eröffnungstermin bringen, | |
ein weiteres Hin und Her kann es nicht geben. Man muss aber feststellen, | |
dass Klaus Wowereit seit drei Monaten nicht in der Lage ist, Auskunft | |
darüber zu geben, wie groß die Probleme des Flughafens sind und wie riesig | |
der finanzielle Schaden wird. Es stellt sich die Frage, ob der jetzige | |
Geschäftsführer Rainer Schwarz in der Lage ist, das Projekt noch zu einem | |
Erfolg zu führen. Es sieht nicht danach aus – und Klaus Wowereit muss dann | |
auch eine Entscheidung treffen. | |
Sie meinen, den Flughafenchef zu entlassen? | |
Herr Schwarz hat sich im Krisenmanagement nicht bewährt, und es macht nicht | |
den Eindruck, dass er den Flughafenbau noch erfolgreich zu Ende bringen | |
kann. | |
Wenn der Regierende Bürgermeister selbst in Umfragen abstürzt, das alles zu | |
viel wird und er schließlich hinschmeißt – stehen die Grünen dann bereit, | |
als Koalitionspartner einzuspringen, wenn die CDU keinen SPD-Linken zum | |
Nachfolger wählen will? | |
Erst mal muss Klaus Wowereit zeigen, dass er seine Aufgaben erfüllt, für | |
die er gewählt wurde. Ob der Flughafen als Bauruine und in finanzieller | |
Schieflage seine Hinterlassenschaft wird, darüber wird aber munter | |
spekuliert. | |
Sie meinen, er darf jetzt nicht zurücktreten? Aber ein Rücktritt wäre doch | |
politisch von Vorteil für Sie. | |
Ich sage nur, dass Wowereit erst mal in der Pflicht ist, seine Arbeit zu | |
machen. Ganz offensichtlich ist es aber so, dass seine Tage als Regierender | |
Bürgermeister gezählt sind. Man muss sich nur anschauen, wie beim | |
SPD-Parteitag der von ihm gestützte Vorsitzende Michael Müller abgewählt | |
wurde, wie er dort schon als „lame duck“ gilt – als einer, der nicht mehr | |
viel zu melden hat – und wie schon offen über seine Nachfolge spekuliert | |
wird. | |
Umso mehr drängt sich die Frage auf: Stehen die Berliner Grünen in der | |
Nach-Wowereit-Ära für Rot-Grün bereit? Er war es ja, der das 2011 | |
verhindert und Rot-Schwarz durchgesetzt hat. | |
Die SPD hat sich damals nahezu einstimmig anders entschieden, damit muss | |
sie jetzt leben. Diese Spekulationen haben mir zu viele Wenns. | |
Das mit der Einstimmigkeit heißt doch nicht viel – einstimmig hatten auch | |
die Grünen ihr Wahlprogramm beschlossen und Renate Künast zur | |
Spitzenkandidatin gemacht, was nachher viele nicht mehr wissen wollten. | |
Ich bleibe dabei: Die SPD-CDU-Koalition ist keine gute Koalition für die | |
Stadt. | |
Von den 27 Prozent in den Umfragen, die Sie bei Ihrer letzten Klausur in | |
Kremmen hatten, sind Sie dennoch weit weg – 17, 18 Prozent sind es in | |
diesem Sommer. Wie viel sollen es bei der Bundestagswahl nächstes Jahr | |
sein? | |
Wir haben uns auf einem guten Niveau konsolidiert, wir liegen weit vor den | |
anderen Oppositionsparteien, und wir wollen 2013 mindestens das einfahren, | |
was wir bei der Abgeordnetenhauswahl hatten … | |
… 17,6 Prozent | |
… oder auch darüber hinaus. Das ist unser Ziel, und daran werden wir | |
arbeiten. | |
Die Grünen streiten bundesweit darüber, wer sie in ebendiese Wahl führen | |
soll. Wen wollen Sie vorn sehen? | |
Ich denke, dass sich bei den Grünen Teamlösungen bewährt haben. Solange es | |
nicht um Fragen der Kanzlerkandidatur oder Ähnliches geht, ist die Frage | |
nach einem Spitzenkandidaten etwas akademisch. Jetzt sollte man gelassen | |
den Weg gehen, der mit der Urwahl eingeschlagen wurde. | |
Die Frage richtete sich aber nicht auf Modus oder Tradition, sondern auf | |
Ihre persönliche Präferenz – wer soll es machen? Umso mehr, als es ja auch | |
um Renate Künast geht. | |
Die Entscheidung über die Spitze trifft die Partei, so ist es beschlossen. | |
Das hindert Sie ja nicht daran, sich für Frau Künast auszusprechen. | |
Die Breite der Partei muss sich in der Spitze abbilden. | |
Gilt das auch für Ihre Fraktion? Ab Oktober soll es wieder eine | |
Doppelspitze geben – wie vor den Querelen im Herbst 2011. Wen wünschen Sie | |
sich an Ihrer Seite? | |
Eine demokratische Wahl ist kein Wünsch-dir-was. | |
Aber es muss doch in einer Doppelspitze auch menschlich passen. | |
Es muss vor allem für die Fraktion passen. Die wählt eine Spitze, mit der | |
sich eine große Mehrheit identifizieren kann. Ich wünsche mir eine | |
Fraktion, die mit sich zufrieden ist, die mit ihrer Spitze zufrieden ist. | |
Das macht uns erfolgreich. | |
Die Breite der Fraktion repräsentieren – heißt das, dass anders als bisher | |
ein Platz für den linken Flügel reserviert ist? | |
„Breite der Fraktion“ heißt doch, dass jeder im Vorstand eine Mehrheit | |
hinter sich versammeln muss. Das ist nichts Neues, das ist in Demokratien | |
so. Der Vorstand arbeitet als Team sehr gut zusammen, das wünsche ich mir | |
auch für die Zukunft. | |
Ein Thema bei Ihrer Klausur ist Energie. Da ist nicht ganz klar, wohin die | |
Grünen wollen: Sie unterstützen das Volksbegehren zur Rekommunalisierung | |
der Stromnetze, wollen sich aber nicht definitiv festlegen, sondern sich | |
drei Optionen offenhalten. | |
Inhaltlich sagen wir deutlich, dass wir eine Trennung von Netz und Betrieb | |
für günstig erachten und dass der öffentliche Einfluss auf das Netz | |
gestärkt werden soll, um die Energiewende voranzubringen. Ob das Netz dann | |
dem Land Berlin gehört, einer Genossenschaft oder in Teilen einem anderen | |
Anbieter, das ist keine Glaubensfrage. | |
Warum nicht? | |
Ich finde, die Rekommunalisierungsdebatte wird sehr verkürzt auf die Frage: | |
in staatlicher Hand oder nicht. Man muss doch immer nach dem Nutzen für die | |
Menschen fragen. | |
Gilt das auch für die Wasserbetriebe und den Senatsbeschluss, Anteile des | |
privaten Teilhabers RWE zurückzukaufen? | |
Wir haben die Teilprivatisierung immer scharf kritisiert. Doch der Rückkauf | |
der Anteile kann nicht nur Selbstzweck sein. Das unterscheidet uns von | |
Teilen der SPD. Es mag ja eingängiger sein, entweder Hopp oder Top zu sagen | |
– aber ich glaube, dass wir verpflichtet sind, nach dem Nutzen für die | |
Menschen in unserer Stadt zu fragen. Und beim Wasser kann ich sagen: Der | |
Rückkauf der RWE-Anteile muss mit einer Preissenkung für die Berlinerinnen | |
und Berliner einhergehen. | |
15 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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