# taz.de -- Kommentar 20 Jahre Pogrom in Rostock: Der Sommer des Hasses | |
> Wer wissen möchte, warum die Morde des Zwickauer Terrortrios geschehen | |
> konnten, muss zurück in die Zeit von „Rostock-Lichtenhagen“. | |
„Rostock-Lichtenhagen“ ist eine Chiffre. Sie steht für die | |
[1][neofaschistische Revolte] der frühen neunziger Jahre. Ihre Bilanz: | |
tausende von rassistischen Übergriffen, hunderte von Brand- und | |
Sprengstoffanschlägen und dutzende von Toten. | |
„Rostock-Lichtenhagen“ steht für Demokratieverlust, für die Unlust, ja die | |
Weigerung staatlicher Organe, das Gewaltmonopol gegen Rechtsextremisten und | |
Neonazis durchzusetzen. „Rostock-Lichtenhagen“ ist ein Synonym für | |
erfolgreiche ethnische Säuberung und die Errichtung von Zonen der Angst. | |
„Rostock-Lichtenhagen“ ist ein Skandal. Er besteht aus Brandsätzen | |
deutscher Politiker und auch Journalisten und den Brandsätzen völkischer | |
Terrorbanden. Eine tödliche Melange, ein deutscher Skandal, eine furchtbare | |
deutsche Tradition. „Rostock-Lichtenhagen“ lehrt: Die Bekämpfung des | |
Rechtsextremismus darf nicht allein dem Staat überlassen werden. Niemals. | |
Viele Bürger in ganz Deutschland haben das begriffen. | |
„Rostock-Lichtenhagen“ ist die Geburtsstunde der deutschen | |
Zivilgesellschaft. Etwas, was es in dieser Form vorher nicht gegeben hat, | |
ist seitdem entstanden. Ein dichtes Netz zivilgesellschaftlicher | |
Organisationen, das aus Millionen von Schülerinnen und Schülern, | |
Jugendlichen und aus Bürgerinnen und Bürgern aller Schichten besteht. Sie | |
alle gemeinsam verteidigen und leben eine demokratische Alltagskultur, die | |
den Neonazis das Wasser abgräbt. Das ist gelebter Republikschutz. Und das | |
ist neu in diesem Land. | |
Zwanzig Jahre ist es her, das Pogrom von Rostock-Lichtenhagen. Eine | |
Ewigkeit. Ein Ereignis aus der Frühgeschichte des geeinten Deutschlands, | |
über das Jugendliche allenfalls in den etwas besseren Geschichtsbüchern | |
stolpern? Nein! Als im November 2011 die Terrormorde des | |
Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) bekannt wurden, fragten sich | |
viele: Wie konnte das geschehen? Wer eine ehrliche Antwort will, der muss | |
zurück in die Zeit von „Rostock-Lichtenhagen“. Im staatlichen | |
(Nicht-)Handeln jener Jahre liegt der Schlüssel zum Verständnis. | |
Die Morde des Zwickauer Terrortrios werden nicht das letzte Echo von | |
„Rostock-Lichtenhagen“ sein. Die Versäumnisse jener Jahre werden uns weiter | |
beschäftigen. Nicht zuletzt aus diesem Grund sollte es im Interesse aller | |
liegen, die Bedeutung der Geschehnisse neu zu diskutieren und zu bewerten. | |
19 Aug 2012 | |
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## AUTOREN | |
Eberhard Seidel | |
## TAGS | |
Pogrom | |
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