# taz.de -- Kooperation bei der Sicherungsverwahrung: Euro gegen Gefangene | |
> Hamburg nimmt nun doch Sicherungsverwahrte aus Schleswig-Holstein auf. Ob | |
> es von Dauer sein wird, ist letztlich eine Frage des Geldes. | |
Bild: Sieht aus wie Knast, soll sich aber nicht so anfühlen: Trakt für Sicher… | |
HAMBURG taz | Bis zu elf Sicherungsverwahrte aus Schleswig-Holstein können | |
ab Juni 2013 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Fuhlsbüttel untergebracht | |
werden – zumindest vorübergehend. Und damit gibt es nach der Kooperation | |
zwischen Bremen und Niedersachsen nun die zweite Mini-Nordlösung für das | |
Problem mit den Gefangenen, die auch nach ihrer Strafe eingesperrt bleiben | |
sollen. | |
Schleswig-Holsteins Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) kann sich eine | |
dauerhafte Kooperation vorstellen, während ihre Hamburger Kollegin Jana | |
Schiedeck (SPD) auf laufende Verhandlungen verwies. Man hat sich auf 250 | |
Euro pro Tag und Gefangenen verständigt – erst mal. | |
Anfang des Jahres waren die Verhandlungen über eine große norddeutsche | |
Lösung geplatzt. Hamburg hatte schon vor dem Start der Verhandlungen 31 | |
Plätze für Sicherungsverwahrte in der JVA Fuhlsbüttel geschaffen, und dann | |
begann Niedersachsen, für 12,5 Millionen Euro in Rosdorf bei Göttingen 45 | |
eigene Plätze zu bauen. Aus einigen Nordländern heißt es hinter | |
vorgehaltener Hand, man habe nicht verstanden, wieso Niedersachsen einfach | |
losbaue. Mecklenburg-Vorpommern kooperierte mit Brandenburg und | |
Schleswig-Holstein wollte für knapp acht Millionen Euro einen | |
zweigeschossigen Bau auf dem Gelände der JVA Lübeck bauen. | |
Niedersachsens Justizminister Bernd Busemann (CDU) habe damals die Sorge | |
gehabt, Gefangene freilassen oder entschädigen zu müssen, wenn er sie nicht | |
unterbringen könne, sagt Busemanns Büroleiter Matthias Nagler. Darum habe | |
man sich fürs Bauen entschieden. „Wir wollten aber bewusst nicht mehr als | |
45 Plätze, wir wollen ja keinen Hochsicherheitstrakt auf Vorrat“, sagt | |
Nagler. Das Ganze sei ja kein Geschäftsmodell. Etwa acht Plätze wolle man | |
in Reserve haben, für eigene Gefangene oder für Gefangene aus anderen | |
Bundesländern – wie etwa aus Bremen. | |
Die Bremer müssen kooperieren, weil sie die vom Bundesverfassungsgericht | |
geforderte räumliche Trennung ihrer Sicherheitsverwahrten von den | |
Strafgefangenen (siehe Kasten) nicht leisten können – es fehlt schlicht der | |
Platz. Bis Ende 2012 läuft der Vertrag mit Niedersachsen. Ob er verlängert | |
wird, ist eine Geldfrage. Derzeit zahlt Bremen pro Sicherheitsverwahrten | |
150 bis 170 Euro, das werde mit dem neuen Haus in Rosdorf aber mehr werden. | |
„Wir rechnen damit, dass die Kosten auf rund 300 Euro Tagessatz steigen“, | |
sagt Thomas Ehmke von der Bremer Justizbehörde. Es seien aber auch | |
Verhandlungen mit anderen Bundesländern vorstellbar. | |
Der Jurist Tillmann Bartsch vom Kriminologischen Forschungsinstitut | |
Niedersachsen forscht seit Jahren zum Thema Sicherungsverwahrung und hält | |
Kooperationen für sinnvoll. In größeren Einrichtungen hätten die Insassen | |
mehr Kontakt zu anderen, mehr Bewegungsfreiheit, könnten in den Hof gehen, | |
das Stockwerk wechseln und man könne auch mehr Therapieangebote machen. | |
„Wenn die Sicherungsverwahrten in einem kleineren Bereich auf dem Gelände | |
einer JVA untergebracht sind, kann das die Stimmung unerträglich machen“, | |
sagt Bartsch. Allerdings sollten nur nahe Bundesländer kooperieren. Denn | |
auch wenn viele Sicherungsverwahrte keine Angehörigen mehr haben, die sie | |
regelmäßig besuchen, dürfe man die wenigen Kontakte nicht erschweren. | |
Fuhlsbüttel und Rosdorf sollen aber in erster Linie den eigenen Bedarf an | |
Plätzen decken und sind nicht originär auf Zusammenarbeit ausgelegt. „Wir | |
haben selber keinen Handlungsbedarf“, sagt Sven Billhardt, Pressesprecher | |
der Hamburger Justizbehörde. Und für die Schleswig-Holsteiner ist die | |
Kooperation letztlich eine Kostenfrage. „Wenn wir uns mit Hamburg einigen, | |
dann bauen wir in in der JVA Lübeck kein eigenes Haus für die | |
Sicherungsverwahrten“, sagt Oliver Breuer vom Justizministerium in Kiel. | |
Die dafür veranschlagten acht Millionen Euro würden dann auf die fünf | |
Anstalten im Land verteilt. | |
19 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Ilka Kreutzträger | |
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