# taz.de -- Kommentar Merkel in China: Die große Chance | |
> Es ist richtig, dass die Bundeskanzlerin die Beziehungen mit China | |
> intensiviert hat. Sie sollte die Gelegenheit zum Menschenrechtsdialog | |
> nutzen. | |
Vergessen die Zeiten, als Angela Merkel den Dalai Lama noch bei sich im | |
Kanzleramt zu einem „privaten Gedankenaustausch“ empfing und damit den Zorn | |
der chinesischen Führung auf sich zog. Das war vor fünf Jahren. | |
Die deutsche Kanzlerin reist inzwischen jedes Jahr nach China und damit | |
noch häufiger als ihr Vorgänger Gerhard Schröder - ein bekennender Freund | |
der Führung in Peking, der sich für Wirtschaftsinteressen mehr | |
interessierte als für Menschenrechte. Nun ist es keineswegs falsch, dass | |
Merkel die Beziehungen mit der chinesischen Führung intensiviert hat. Mit | |
den von ihr einberufenen sogenannten Regierungskonsultationen unterstreicht | |
sie, wie bedeutsam die Volksrepublik sowohl politisch als auch | |
wirtschaftlich inzwischen geworden ist. Aber bitte nicht um jeden Preis. | |
Ja, China ist mächtig geworden und für die deutsche Wirtschaft inzwischen | |
der zweitwichtigste Markt. Allein 2011 lag das Handelsvolumen mit 144 | |
Milliarden Euro so hoch wie bei keinem anderen nicht-europäischen Land. | |
Gegenüber dem Vorjahr sind das noch einmal elf Prozent mehr. Je mehr die | |
Märkte im kränkelnden Europa wegbrechen, desto wichtiger wird der Absatz | |
für deutsche Unternehmen in Fernost. | |
Doch Merkel sollte bei ihrem Besuch eins nicht vergessen: Die Abhängigkeit | |
beruht auf Gegenseitigkeit. Wenn Chinas Führung anbietet, über die | |
Eurokrise zu reden, ist der Grund nicht Wohlwollen gegenüber den Europäern. | |
Sie fürchtet um ihr eigenes Vermögen. Denn von ihrem gigantischen | |
Devisenschatz in Höhe von 3,2 Billionen Dollar steckt ein nicht | |
unerheblicher Teil auch im Euro. | |
Bricht er auseinander, würde auch China darunter leiden. Und wenn die | |
chinesische Seite Merkel anbietet, an ihrem zweiten Besuchstag das | |
Endmontagewerk von Airbus in der Stadt Tianjin zu besichtigen, dann | |
geschieht das nicht nur, um den europäischen Flugzeugbauer mit | |
Folgeaufträgen über hundert weitere Maschinen zu beglücken. Die | |
Volksrepublik hat in den kommenden Jahren noch einen enormen Bedarf, ihre | |
Flugzeugflotten auf Vordermann zu bringen. | |
Die Chinesen brauchen das Know-How der Deutschen. Merkel erhofft sich von | |
ihrem Besuch, den rund 20 Vertreter der Wirtschaft begleiten, nicht nur | |
noch mehr Großaufträge für deutsche Unternehmen. Große Hoffnung setzt sie | |
auch auf ein stärkeres Engagement Chinas bei der Bewältigung der | |
Schuldenkrise in Europa. | |
Nicht zuletzt schielt sie auch auf den chinesischen Staatsfonds CIC mit | |
einem Investitionsvolumen von fast einer halben Billion Dollar. Bei all | |
diesen Wirtschaftsinteressen sollte sie den Menschenrechtsdialog mit China | |
aber nicht zu kurz kommen lassen. Deutschland hat im Reich der Mitte | |
derzeit ein gutes Standing. Diese Gelegenheit sollte Merkel bei ihrem | |
Besuch nutzen. | |
30 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
Felix Lee | |
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China | |
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