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# taz.de -- Kommentar Neonazis in Dortmund: Der Spuk ist noch nicht vorbei
> Trotz des Verbots des „Nationalen Antikriegstags“ in Dortmund besteht
> kein Grund zur Entwarnung.
Der Name des unappetitlichen Spektakels, zu dem die militante Neonaziszene
alljährlich am ersten Septemberwochenende nach Dortmund mobilisierte, hätte
kaum zynischer gewählt sein können. In Anlehnung an jenen Gedenktag, mit
dem der Deutsche Gewerkschaftsbund und antimilitaristische Gruppen seit den
Fünfzigerjahren an den Überfall Hitler-Deutschlands auf Polen am 1.
September 1939 erinnern, riefen ewiggestrige Kameraden zum „Nationalen
Antikriegstag“ auf.
Während Demokraten der Opfer des deutschen Angriffskriegs gedachten, zogen
die Demokratiefeinde seit 2005 grölend durch die Straßen Dortmunds und
versicherten sich, es das nächste Mal besser zu machen als ihre Großväter:
„Nie wieder Krieg - nach unserem Sieg!“ [1][Damit ist es jetzt vorbei]. Es
war höchste Zeit.
Allzu lange haben die Dortmunderinnen und Dortmunder dieses widerwärtige
Treiben in ihrer Stadt ertragen müssen. Im vergangenen Jahr unternahm der
damalige Polizeipräsident Hans Schulze noch nicht einmal mehr den Versuch,
den Naziaufmarsch zu untersagen - wegen mangelnder Erfolgsaussichten.
Allerdings konnte Schulze während seiner 18-jährigen Amtszeit ohnehin nicht
gerade besonderes Engagement im Kampf gegen Rechts nachgesagt werden.
Jedenfalls machte er den Eindruck, als hätte er mehr Probleme mit dem
antifaschistischen Protest.
Das Verbot des „Nationalen Widerstands Dortmund“ (NWDO) durch das
nordrhein-westfälische Innenministerium Mitte August hat seinem Nachfolger
Norbert Wesseler jetzt endlich die Möglichkeit gegeben, mit Hilfe des
Vereinsrechts den braunen Spuk juristisch wasserdicht zu unterbinden. Doch
so erfreulich die Bestätigung seines Versammlungsverbots durch das
Bundesverfassungsgericht auch ist: Es besteht kein Grund zur Entwarnung.
## Nur eine Einzelfallentscheidung
Die Karlsruher Entscheidung vom Freitag ist kein Passepartout, das nun auf
jede rechtsextremistische Veranstaltung passt. Es handelt sich um eine
Einzelfallentscheidung. Zu anderen Gelegenheiten wird weiter marschiert
werden können. Aber immerhin zeigt das Dortmunder Beispiel, wie der
Aktionsradius von „Autonomen Nationalisten“ wirksam eingeschränkt werden
kann. Wenn der politische Wille dazu besteht.
Die politisch Verantwortlichen in Dortmund haben das Neonazi-Problem in
ihrer Stadt über Jahrzehnte heruntergespielt. Was 1982 mit der Gründung der
„Borussenfront“ von Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt begann, fand seinen
Höhepunkt 2009 im Überfall von rund 400 rechtsextremen Schlägern auf die
traditionelle 1. Mai-Kundgebung des DGB. Nun spricht einiges dafür, dass
sich die Zeiten dem Ende zuneigen, in denen die Ruhrmetropole als Hochburg
der militanten braunen Szene im Westen bezeichnet werden konnte.
Nach dem Verbot des NWDO und der Zwangsräumung des "Nationalen Zentrums" in
der Rheinischen Straße ist es für die verbliebenen Aktivisten ungemütlich
geworden. Die Polizei scheint mittlerweile fest entschlossen zu sein, ihren
Bewegungsspielraum konsequent zu minimieren. Das grundsätzliche Problem ist
damit allerdings längst noch nicht gelöst.
Der staatliche Druck auf die Dortmunder Szene ist zwar derzeit hoch. Dass
deshalb aus gewaltbereiten Neonazis nun friedfertige Demokraten werden, ist
trotzdem nicht gerade wahrscheinlich. Manche werden weg- oder sich ins
Privatleben zurückziehen. Der eine oder andere findet hoffentlich den Weg
in ein Aussteigerprogramm. Aber das Gros wird versuchen, weiterzumachen und
sich neu zu organisieren. Mehrere Führungskader sollen sich bereits der NPD
angeschlossen haben, um sich fürderhin in einem legalen Rahmen betätigen zu
können. Nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich einige der Aktivisten
auch dafür entscheiden, in den Untergrund zu gehen.
Das ist eine höchst beunruhigende Vorstellung. Vor der Aufdeckung des
„Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) hätte sie vielleicht noch als
absurder Alarmismus abgetan werden können. Inzwischen sind sogar die
Sicherheitsbehörden klüger. Auf jeden Fall ist höchste Wachsamkeit geboten.
Damit es nicht vergessen wird: Zu den Opfern des NSU zählt auch ein
Dortmunder Bürger. Am 4. April 2006 wurde Mehmet Kubaşık in seinem Kiosk
ermordet. Nur 200 Meter von einem damaligen Szenetreffpunkt der Dortmunder
Neonazis entfernt.
1 Sep 2012
## LINKS
[1] /Verbot-von-Nazi-Demo-bestaetigt/!100800/
## AUTOREN
Pascal Beucker
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