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# taz.de -- Fußball in Ägypten: Kampf neben dem Platz
> In Ägypten wird wieder Fußball gespielt – sehr zum Missfallen der Fans
> von Al-Ahly SC. Die fordern eine Aufarbeitung des Todesspiels von Port
> Said.
Bild: Noch immer ungeklärt: Die Umstände des Bludbads am 1. Februar in Port S…
KAIRO taz | Selten war Fußball politischer als im heutigen Ägypten. Nicht
oft wird darüber gestritten, ob der Ball in Stadien überhaupt getreten
werden darf. Aber genau das ist die derzeitige Kontroverse am Nil.
Vor eineinhalb Jahren wurde Präsident Husni Mubarak auch unter tatkräftiger
Hilfe der Ultra-Fans des Kairoer Klubs Al-Ahly auf dem Tahrirplatz
gestürzt. Sieben Monate ist es her, dass die Fans von Al Masry in Port Said
die Tribüne der Ahly-Ultras stürmten und 74 Personen, die meisten davon
Ahly-Fans, umkamen. Die Polizei griff damals trotz massiver Präsenz nicht
ein. Es war weltweit das blutigste Fußballdrama der vergangenen 15 Jahre.
Viele sprachen damals von einer Racheaktion des immer noch von
Mubarak-Männern durchsetzten Sicherheitsapparates gegen die von der Polizei
verhassten Ultras. Seitdem war, abgesehen von internationalen Begegnungen,
der offizielle ägyptische Fußball ausgesetzt.
## Spiel ohne Publikum
Bis zum Sonntagabend, als der ägyptische Fußballverband gegen den Willen
der Ahly-Fans die neue Saison anpfiff mit einem Supercupspiel, zwischen dem
letzten ägyptischen Meister Al-Ahly und dem Pokalsieger ENPPI aus
Alexandria. Das Match wurde ohne Publikum in einem Militärstadion in der
Nähe Alexandrias ausgetragen, und die dominierende Mannschaft von Al-Ahly
gewann 2:1.
Das Spiel selbst und sein Ergebnis waren in Ägypten indes nur Nebensache.
Fans von Al-Ahly waren in den Tagen vor der Partie auf die Straße gegangen,
hatten sogar das Gebäude des Fußballverbandes gestürmt und zum Teil
verwüstet. Ihre Forderung: es soll kein Spiel im Land stattfinden, bevor in
dem vor ein paar Monaten begonnenen Gerichtsverfahren die Täter von Port
Said und deren mutmaßliche Hintermänner im Sicherheitsapparat zur
Rechenschaft gezogen sind.
„Wir sind bisher ruhig geblieben und haben auf friedliche Weise versucht,
unseren 74 Märtyrern Gerechtigkeit zukommen zu lassen“, heißt es in einer
Facebook-Erklärung der Fans. „Jetzt, sieben Monate später, rufen wir alle
Fangruppen dazu auf, sich zu vereinen und gegen das alte Fußballsystem zu
revoltieren.“ Die Anhänger meinten weiter, ihre Aktionen würden noch
schlimmer werden, bis die Forderungen erfüllt seien.
Ahlys Ultras kündigten an, das Stadion, in dem das Supercupspiel
ausgetragen werden sollte, zu stürmen. Der Spielmacher des Teams, Muhammad
Abu Treika, weigerte sich aus Solidarität mit den Fans, an dem Match
teilzunehmen.
## Mursi hält sich raus
Sportminister El-Amry Farouk und der Fußballverband bestanden trotzdem auf
dem Spiel. Trotz zahlreicher Appelle, das Spiel auszusetzen, hielt sich der
neue von den Muslimbrüdern stammende Präsident Mohammed Mursi aus der
Kontroverse heraus.
Er erklärte, die Angelegenheit falle in den Kompetenzbereich der
Sportministeriums und des Verbandes. Eine Zurückhaltung, die Mursi einige
Anhänger gekostet haben könnte: „Nichts hat so sehr an Mursis Image
gekratzt wie die Tatsache, dass er dieses Spiel stattfinden ließ“,
twitterte der Sportkritiker Alaa Sadek. Immerhin wurde der Beginn der
ägyptischen Liga um einen Monat, auf den 17. Oktober, verschoben.
Das Land hielt den Atem an aus Angst, dass Ägypten mit einem weiteren
blutigen Fußballspiel Schlagzeilen machen könnte. Aber am Ende pfiffen die
Al-Ahly-Ultras ihre Truppen zurück. „Mit der Entscheidung, die Liga zu
verschieben, haben wir eines unserer Ziele erreicht. Wir wollen uns nicht
erneut in Auseinandersetzungen stürzen, bei denen Blut fließt“, heißt es in
einer Erklärung der Ultras. Aber ihre Wut, dass der Supercup stattgefunden
hat, ist groß. Es sei, als habe man den Toten erneut den Dolch in den
Rücken gestoßen, twittert ein Al-Ahly-Fan.
Für viele Anhänger geht es jedoch um mehr als darum, die Verantwortlichen
des blutigen Port-Said-Spieles zur Verantwortung zu ziehen. Sie fordern
auch die Absetzung der alten Sportfunktionäre. Einer der Ultras, der anonym
bleiben möchte, fasst das so zusammen: „Wir müssen in Ägypten ein neues
Fußballzeitalter anpfeifen, und das wird nicht passieren, solange wir das
alte Sport-Regime nicht losgeworden sind.“
10 Sep 2012
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
## TAGS
Port Said
Ägypten
Ägypten
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024
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