# taz.de -- Kommentar Wahl in den Niederlanden: Das kleinere Übel | |
> Die gute Nachricht ist: Die Rechtspopulisten haben verloren. Die | |
> schlechte: Die Rechtsliberalen sind die Sieger – mit den Inhalten der | |
> Wilders-Partei. | |
Bild: Hat Erfolg – nicht nur, wenn er Luftballons aufbläst: Emile Roemer, Sp… | |
Verkehrte Welt am Strand von Scheveningen: auf der Party der Volkspartij | |
voor Vrijheid en Democratie, frisch gebackene [1][Siegerin der | |
niederländischen Parlamentswahlen], bejubelt das Publikum frenetisch die | |
Verluste der Wilders- Partei. Gerade so, als hätte es da nie eine | |
Verbindung gegeben. | |
Als hätte nicht Mark Rutte, der alte und voraussichtlich neue Premier just | |
dieser Partei, vor zwei Jahren das Wohl seiner Regierung von den | |
Rechtspopulisten abhängig gemacht. Die Sache ging schief, die VVD hat | |
gelernt, und der Jubel scheint den Schlussstrich unter dieses Kapitel zu | |
bekräftigen. Ein katharisches Klatschen, gewissermaßen. | |
Dann spricht Mark Rutte. Sein Gesicht ist freundlich, er wirkt gerührt. Die | |
Worte kommen bedächtig statt brachial wie die von Wilders. Und doch hängen | |
da diese Slogans hinter ihm, an der Rückwand der Bühne: "Kein | |
Niederländisch, keine Sozialhilfe", „Mehr Polizei auf der Straße, nicht am | |
Schreibtisch“, und „mehr Strafe und weniger Verständnis für Kriminelle“. | |
Seltsam bekannt klingt das. | |
## Knallhart – ohne den hetzerischen Ton | |
Ein paar Kilometer weiter gesteht derweil Geert Wilders die Niederlage | |
seiner Partei ein. Und schwört denen, die sie jetzt abschreiben, die PVV | |
werde zurückkommen, und zwar „knallhart“. Die Kampagnen-Rhetorik der | |
Wahlsiegerin gibt indes Aufschluss, dass die Wilders´sche Agenda mit diesen | |
Wahlen keineswegs aus Den Haag verschwindet. | |
Die VVD führt sie fort, ohne den hetzerischen Ton und die groben | |
rhetorischen Ausfälle. Nicht „knallhart“ in der Wortwahl, doch in der | |
Essenz nur graduell verschieden. Das geringere Übel, wenn man so will. | |
Der Sieg der Partei, im deutschsprachigen Raum mit dem Label | |
„Rechtsliberale“ versehen, ist ähnlich knapp wie vor zwei Jahren. Zugleich | |
hat die VVD jedoch mit dem besten Ergebnis ihrer Geschichte einen | |
elektoralen Quantensprung gemacht. Zehn zusätzliche Sitze sind ein | |
deutliches Zeichen: der Zupruch der Bevölkerung zur VVD ist immens – was in | |
erster Linie ihrem Programm strikter Haushaltsdisziplin geschuldet ist. | |
Wenn nun die heikle Prozedur der Regierungsbildung beginnt, bleibt zu | |
hoffen, dass die VVD auf einen starken Koalitionspartner trifft. Einen, der | |
ihr möglichst viel Konzessionen abverlangt und sie dazu bringt, Wasser zu | |
ihrem Wein zu fügen. Dieser wiederum besteht, neben den oben genannten | |
Zutaten, vor allem aus einer mehr als 20 Millionen Euro schweren | |
Kürzungsagenda, die zum Großteil in der sozialen Sicherheit und dem | |
Pflegesektor zu Buche schlägt. | |
Zweifellos werden Kritiker eine solche Koalition „Stillstand¡ nennen. Ein | |
instabiles, weil latent zerstrittenes Kabinett, während die Niederlande in | |
der Krise doch gerade eine starke Regierung benötigten. Sollten die | |
zweitplazierten Sozialdemokraten sich auf ein solches Bündnis einlassen, | |
wäre all dies zutreffend. Und dennoch auch dies nur das geringere Übel. | |
13 Sep 2012 | |
## LINKS | |
[1] /Wahl-in-den-Niederlanden/!101567/ | |
## AUTOREN | |
Tobias Müller | |
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