# taz.de -- Gericht in New York: Twitter soll Occupy verraten | |
> Ein New Yorker Richter will Twitter zwingen, Tweets und Daten eines | |
> Occupy-Aktivisten preiszugeben. Das Unternehmen weigert sich. Nun droht | |
> eine Geldstrafe. | |
Bild: Im Oktober 2011 besetzten Occupy-Aktivisten die Brookly Bridge. Das gab �… | |
BOSTON taz | Malcolm Harris war einer von tausenden Occupy-Aktivisten, die | |
im Oktober 2011 während einer [1][Demonstration auf der Brooklyn Bridge] in | |
New York von der Polizei festgenommen wurden. Und dabei twitterte. | |
Fast ein Jahr später droht dem sozialen Netzwerk eine hohe Geldstrafe, | |
sollte sich das Unternehmen weigern, Tweets und Daten von Harris aus dieser | |
Zeit herauszugeben. Richter Matthew Sciarrino vom New York Supreme Court | |
hat dem Unternehmen aus San Francisco eine Frist bis Freitag gesetzt, die | |
Nachrichten preiszugeben. Twitter weigert sich seit Monaten und hat vor | |
verschiedenen Gerichten Einspruch eingelegt. | |
Doch warum ist der Staat New York so erpicht auf die Daten? Das Gericht | |
sagt, die Tweets würden beweisen, dass Harris und andere Aktivisten gewusst | |
hätten, dass die Polizei die Demonstranten im vergangenen Jahr darüber | |
informiert hätte, nicht auf der Straße zu laufen. Der Protestmarsch hatte | |
den Verkehr auf der Brooklyn Bridge zum Erliegen gebracht, 700 Menschen | |
wurden verhaftet. Die Demonstranten argumentierten, dass die Polizei den | |
Protestzug erst auf die Brücke führte, um dann kurze Zeit später mit den | |
Festnahmen zu beginnen. | |
Die Tweets, die nach Meinung des Gerichts Klarheit bringen sollen, sind | |
nicht mehr online. Malcolm Harris ist es noch. Der Redakteur des | |
Online-Magazins [2][The New Inquiry] twittert nicht mehr unter | |
[3][@destrucutremal] – um die Tweets dieses Accounts geht es – sondern | |
unter [4][@BigMeanInternet]. Der 23-Jährige äußert sich zurückhaltend und | |
kommentiert weder die Vorfälle, die zu seiner Verhaftung führten, noch | |
seine derzeitige Rolle in der Occupy-Bewegung. | |
## Harris ist Twitter dankbar | |
Gegen Harris läuft noch ein Verfahren wegen Störung der öffentlichen | |
Ordnung, ein harmloser Delikt, vergleichbar mit einem Strafzettel. In | |
direktem Kontakt zu Twitter steht er nicht, seine Anwälte werden aber über | |
alles informiert. „Ich bin sehr glücklich über Twitters Unterstützung und | |
hoffe, dass sie sie aufrecht erhalten“, sagt Harris taz.de. | |
Der Streit begann bereits im Januar, als das Gericht Twitter die | |
Aufforderung schickte, die Daten und Tweets herauszugeben. Twitter | |
informierte Harris darüber, der zunächst selbst versuchte, die Herausgabe | |
der Daten zu verhindern. Ein New Yorker Gericht lehnte dies mit der | |
Begründung ab, nur Twitter könne gegen den Erlass vorgehen. | |
Daraufhin legte Twitter Einspruch ein, der wiederum abgelehnt wurde. | |
Seitdem streiten Gericht und Anwälte darüber, wie öffentlich oder privat | |
Tweets sind. | |
Twitter argumentiert in einem Einspruch an ein Berufungsgericht vom August | |
auf 37 Seiten unter anderem damit, dass die Nachrichten der Nutzer durch | |
den Vierten Verfassungszusatz geschützt seien. Dieser schützt die | |
Privatsphäre vor staatlichen Übergriffen. Aus Sicht des Unternehmens | |
sollten außerdem Privatpersonen das Recht haben, gegen die Herausgabe ihrer | |
persönlichen Informationen auf Twitter vorzugehen. | |
## Bürgerrechtler unterstützen Twitter | |
Das Gericht wiederum bewertet laut mehreren Medienberichten Twitter als | |
öffentliche Plattform, weshalb Tweets nicht durch das Recht auf | |
Privatsphäre geschützt seien. | |
Bürgerrechtsorganisationen wie die „American Civil Liberties Union“ | |
unterstützen Twitter und loben das Unternehmen für seine Haltung, wie Aden | |
Fine, einer der Anwälte der Organisation, [5][in einem Blog schreibt]. „Wir | |
hoffen, dass Twitters Einspruch die gefährliche Entscheidung des Gerichts | |
aufheben wird und unsere in der Verfassung geschützten Rechte auf freie | |
Rede und Privatsphäre online wie offline damit bestätigt werden.“ | |
Verliert Twitter, hat Richter Sciarrino laut Bloomberg angekündigt, die | |
Bilanzen der letzten zwei Quartale der Firma einzufordern, um darauf | |
basierend die Geldstrafe festzulegen, die Twitter aufgrund der Missachtung | |
der Gerichtsanordnung droht. „Ich kann Twitter oder den kleinen blauen | |
Vogel nicht in Haft nehmen, aber ich kann sie finanziell bestrafen“, wird | |
Sciarrino zitiert. Twitter reagierte nicht auf eine Statement-Anfrage. | |
Und Harris? Ist er vorsichtiger geworden mit dem Wissen, was 140 schnell | |
geschriebene Zeichen für Folgen haben könnte? Nein. Das Medium zu | |
limitieren würde es nutzlos machen, glaubt Harris: „Entweder ein freies | |
Twitter – oder gar kein Twitter.“ | |
14 Sep 2012 | |
## LINKS | |
[1] /Occupy-Proteste-in-den-USA/!82139/ | |
[2] http://thenewinquiry.com/ | |
[3] http://twitter.com/destructuremal | |
[4] http://twitter.com/BigMeanInternet | |
[5] http://www.aclu.org/blog/technology-and-liberty-national-security-free-spee… | |
## AUTOREN | |
Rieke Havertz | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Occupy-Bewegung | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
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