# taz.de -- Kolumne Pressschlag: Wie ein weißrussischer Polizist | |
> In der Debatte um Gewalt unter Fans gibt es auch unter den Funktionären | |
> beinharte Ultras. Hannovers Präsident Martin Kind ist so einer. | |
Bild: Sieht schon so extrem aus, der Mann: Martin Kind. | |
Jetzt fängt sogar schon Martin Kind an, mit den Fans zu reden. „Teilweise | |
haben wir diskutiert“, so lautete das zufriedene Resümee des | |
Vereinspräsidenten von Hannover 96, der sich diese Woche mit drei | |
Vertretern der Ultras getroffen hatte. | |
Die DFB-Vertreter sprechen ja ohne Unterlass von ihrer Dialogbereitschaft, | |
wenn es um die Belange der Fans geht. Kind wiederum ist bislang so sehr | |
Geschäftsmann gewesen, dass er nicht einmal um des Scheins willen sich | |
allzu sehr um die Kundschaft auf den billigen Plätzen gekümmert hätte. | |
Seine Leidenschaft gilt seit je dem Versuch, die 50+1-Regel zu kippen, die | |
als Schutz der Vereine vor rein gewinnorientierten Investoren installiert | |
wurde. | |
Als Kehrtwende darf man Kinds Engagement indes nicht missverstehen. | |
Gegenüber Faninteressen bleibt Kind ein Hardliner. „Unser Stadion ist kein | |
rechtsfreier Raum“, stellte er klar. Er selbst nimmt es indes mit dem Recht | |
und Gesetz in etwa so genau wie ein weißrussischer Ordnungshüter. Kürzlich | |
forderte Kind, Stadionverbote müsse man auch erteilen können, ohne | |
hundertprozentige Beweise zu haben. | |
Seine extremistischen Ansichten gibt er gegebenenfalls auch auf | |
Proletendeutsch zum Besten. Als „Arschlöcher“ bezeichnete er vergangenes | |
Wochenende die mitgereisten 96er-Fans, die in Wolfsburg den früheren | |
Hannoveraner mit Schmährufen verunglimpft hatten. Wem es noch nicht klar | |
war, weiß es spätestens jetzt: Martin Kind ist der Ultra der | |
Fußballfunktionäre mit einem Hang zum verbalen Hooliganismus. | |
Im Grunde ist er im Geiste ein Bruder derjenigen, gegen die er nun derart | |
harsch vorgeht. So nehmen es zumindest auch einige Hannoveraner Anhänger | |
war. Nachdem Kind verkündet hatte, dass er unter allen Umständen verhindern | |
wolle, dass die 96er-Fans das Konterfei des legendenumwobenen Serienmörders | |
Fritz Haarmann im Stadion hochhalten, machte eine Fanorganisation publik, | |
Kind selbst gehöre dem Fanklub „Rote Reihe“ an, der sich nach dem Wohnsitz | |
von Haarmann benannt habe. Zwar dementierte das die „Rote Reihe“ und | |
verwies auf andere prominente Straßenbewohner wie den Philosophen Gottfried | |
Wilhelm Leibniz. Zum Feingeist dürfe Kind dadurch nicht befördert werden. | |
## „Fick dich DFB“ | |
Der Deutsche Fußball-Bund würde sich zwar am liebsten auch gern sein | |
Fanvolk selbst aussieben, aber der Verband ist in seiner Vorgehensweise | |
weniger rustikal und eher dem institutionellen Ansatz verpflichtet. Die | |
internen Behörden ermitteln und ermitteln. Neuerdings mit verstärktem | |
Engagement. In der vergangenen Woche gegen Fortuna Düsseldorf und Union | |
Berlin, weil deren Anhänger Plakate hochhielten, auf denen „Fick dich DFB“ | |
oder „Hurensöhne DFB“ draufgeschrieben stand. | |
Bedenkt man, dass ähnliches Verbandsdiffamierendes seit Jahrzehnten schon | |
aus den Kurven gebrüllt wird, würde die konsequente Aufarbeitung dieses | |
Unrechts künftig Heerscharen von Sachbearbeitern und Richtern beschäftigen. | |
Es ist eine seltsame Leidenschaft, die der DFB da entwickelt hat. Was hat | |
es denn mit der neuen Rechtsoffensive auf sich? Glaubt man beim DFB | |
tatsächlich, jegliche Unflätigkeit aus den Kurven verbannen zu können? | |
Offensichtlich ist jedenfalls, dass dieses penible Überwachen und Strafen | |
die Kluft zwischen Verband und Fans größer werden lässt. Die moderaten | |
Kräfte werden gegenüber den Radikalen ihrer Argumente beraubt. Beim DFB | |
scheint man diese Konfrontation bewusst in Kauf zu nehmen. Der Ton wird | |
zunehmend rauer. Kein Wunder also, dass sich nun auch die Ultras unter den | |
Funktionären zu Wort melden. | |
14 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
Johannes Kopp | |
## TAGS | |
Serienmörder | |
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