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# taz.de -- Kolumne Heimatkunde Seenplatte: Die Last des weiten Landes
> Wenn aus vielen kleinen Landkreisen der größte Deutschlands wird, sitzen
> Lokalpolitiker auf einmal viel im Auto. Einigen ist das zu viel Aufwand.
Freizeitskipper kennen von Mirow die Schleuse, Kulturfans die Schlossinsel,
wer an der Kreispolitik interessiert ist, kennt von Mirow auch Karlo
Schmettau. Er ist Bürgermeister des Städtchens an der
Müritz-Havel-Wasserstraße und sitzt für die FDP im Kreistag
Mecklenburgische Seenplatte. Dort gehört er zu einer aus Liberalen, Freien
Wählern und der bäuerlich geprägten Wählergemeinschaft Ländlicher Raum
zusammengewürfelten Fraktion.
Außerdem ist Karlo Schmettau Mitglied des Kreistagspräsidiums und
verschiedener Ausschüsse. Das beschert ihm, positiv betrachtet, hübsche
Aussichten auf die weiten Landschaften des Kreises, weil er des Öfteren in
die Kreisstadt Neubrandenburg und sonst wohin fahren muss; negativ
betrachtet bedeutet es für ihn, dass er neuerdings oft im Auto sitzt. Etwa
tausend Kilometer, rechnete er schon einmal vor, sei er monatlich des
Kreistags wegen unterwegs.
Anderen geht es ähnlich. Vom nördlichen Demmin aus, wo der parteilose
Eckhardt Tabbert lebt, der einer der stellvertretenden Kreistagspräsidenten
ist, macht die Strecke nach Neubrandenburg 50 Kilometer, von Malchin aus
etwa 40, vom südöstlich gelegenen Woldegk knapp 30 Kilometer. Da summieren
sich die Kilometerpauschalen. Ob aber die Fahrkostenerstattungen in der
Summe gestiegen sind, ist noch nicht sicher.
Zwar sind die Strecken länger geworden als in den alten Kreisen, doch dafür
müssen weniger Leute fahren. 77 Mitglieder zählt der neue Kreistag, in den
drei früheren Kreisen waren es zusammengerechnet fast doppelt so viele. Wie
hoch genau die Fahrkosten im defizitären Kreishaushalt zu Buche schlagen,
lässt sich derzeit kaum beziffern.
## Die SPD musste fünf Nachrücker holen
Abrechnungsprobleme, heißt es seitens des Amtes für Finanzen. Denn ein
ganzes Kalenderjahr sei für den neuen Kreistag noch nicht um und ein
Quartalsvergleich könnte durch die Modalitäten verzerrt werden. Die
Kreistagsmitglieder müssten nämlich ihre Spesenrechnungen nicht monatlich
einreichen.
Das sind so die kleinen Erschwernisse, die Amtsleiter mitunter ins Grübeln
und ehrenamtliche Kreistagsmitglieder zum Resignieren bringen. Einer der
Gewählten hat sein Mandat gar nicht erst angetreten, sechs haben es
mittlerweile niedergelegt. Besonders gebeutelt ist die SPD-Fraktion. Allein
in ihren Reihen sitzen mittlerweile fünf Nachrücker, und mindestens einer
ihrer ursprünglichen Abgeordneten hat wegen des Aufwands auf seinen Sitz
verzichtet: Rainer Tietböhl.
Der 60-Jährige ist auch Landesbauernpräsident und in anderen ehrenamtlichen
Funktionen aktiv. Die weiten Wege zu Kreistags-, Ausschuss- und
Fraktionssitzungen, die oft lange Sitzungsdauer ebenso wie die nötigen
Vorbereitungen waren ihm schließlich zu viel geworden. Im April warf er im
Kreistag die Brocken hin. Ähnlich Reinhard Anke von der Linkspartei, der im
August von Mandat und Vorsitz im Sozialausschuss zurücktrat. Zu einem Teil,
sagte er, sei daran der Großkreis schuld.
Von Karlo Schmettau sind derlei Absichten nicht bekannt. Er wird, zumindest
vorerst, weiter fahren und, das sei hier unterstellt, die Aussicht
genießen. Vielleicht sogar die Aussichten.
20 Sep 2012
## AUTOREN
Georg Wagner
## TAGS
Nationalparks
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