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# taz.de -- Griechenlands Finanzministerium: Verhaltene Reparationsforderungen
> Athen prüft bis Ende 2012 Ansprüche an Deutschland aus dem Zweiten
> Weltkrieg. Ein eher taktisches Manöver. Berlin winkt gelassen ab.
Bild: Patriotischer Protest gegen die griechischen Sparpläne.
ATHEN afp | Ein Sparpaket jagt das nächste. Die Wirtschaftsleistung
Griechenlands schrumpft das fünfte Jahr in Folge. Und die Deutschen mahnen,
Griechenland dürfe sich nicht als Fass ohne Boden erweisen. Vor diesem
Hintergrund hat das Athener Finanzministerium nun angekündigt, die Höhe der
Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg an Deutschland bis
spätestens Ende 2012 zu prüfen.
Eine Arbeitsgruppe soll die Archive nach Belegen für die Untaten der Nazis
im besetzten Griechenland durchforsten. Rund 300.000 Griechen starben
während der Besatzung von Anfang 1941 bis September 1944. In diesen Jahren
verübten die Nazis zahlreiche Massaker, etwa das von Distomo mit 218 Toten.
Und 1942 nahm die Besatzungsmacht bei der griechischen Zentralbank einen
Zwangskredit auf, der damals auf knapp 500 Millionen Reichsmark beziffert
wurde und bei einer Umrechnung in heutiges Geld einige Milliarden Euro Wert
hätte.
Ob die griechische Regierung, die alle paar Monate Milliardenkredite der
europäischen Partner entgegennimmt, am Ende tatsächlich
Reparationszahlungen anmahnt, bleibt fraglich. Zum einen geht es darum,
„auf den Druck der Opposition zu antworten“, wie der Zeitgeschichtler Hagen
Fleischer von der Universität Athen erläutert. „Zugleich soll an die
Deutschen die Botschaft gesandt werden, dass sie mit einem Land nachsichtig
umzugehen haben, das von den westlichen Staaten unter der Nazi-Besatzung
die größten Verluste erlitt.“
Völkerrechtlich ist die Angelegenheit komplex. Während der deutschen
Teilung verwies die Bundesregierung in Bonn darauf, dass die
internationalen Abkommen in diesen Fällen keine Reparationszahlungen
vorsähen - und dass erst die Wiedervereinigung und eine endgültige
Friedensregelung abzuwarten sei. Zudem waren von den Siegermächten bereits
deutsche Auslandsguthaben beschlagnahmt worden, die zum Teil für
Reparationen genutzt wurden.
## Zeitpunkt verpasst
Der geeignete Moment für Reparationsforderungen war nach dieser Logik wohl
mit der Wiedervereinigung gekommen. „Griechenland hätte bei der Vereinigung
Deutschlands Anfang der 1990er Jahre größere Chancen gehabt“ als heute,
sagt der Historiker Fleischer. Aber damals habe Angst der griechischen
Regierung im Vordergrund gestanden, dass die bilateralen Beziehungen in
Mitleidenschaft gezogen werden könnten.
Für Berlin ist die Sache klar. „Aus Sicht der Bundesregierung ist die
Reparationsfrage umfassend und abschließend geklärt“, erklärt ein Sprecher
des Finanzministeriums. Die Bundesregierung sieht sich in dieser
Rechtsauffassung unter anderem durch ein Urteil des Internationalen
Gerichtshofs in Den Haag (IGH) vom Februar bestärkt. Damals wurden
individuelle Entschädigungsforderungen italienischer NS-Opfer
abgeschmettert, weil die Staatenimmunität verhindere, dass Gerichte eines
Landes ein anderes Land verurteilen könnten.
Weil die griechischen Juristen in dem von Italien vor den IGH getragenen
Streit eine Chance sahen, eigene Reparationszahlungen geltend zu machen,
hatten sie sich der italienischen Klage angeschlossen. Die griechischen
Interessen wurden von dem Völkerrechtler Stelios Perrakis von der
Panteion-Universität vertreten. Der Internationale Gerichtshof habe sich
zwar zur Staatenimmunität geäußert, aber nicht „zum eigentlichen Inhalt“,
sagt Perrakis heute. Ob schwere Menschenrechtsverletzungen noch nach
Jahrzehnten verfolgt würden, bleibe „eine politische Entscheidung“.
20 Sep 2012
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Wehrmacht
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