# taz.de -- Kommentar Libyen: Teil zwei der Bürgerrevolution | |
> Alleingelassen von der Regierung in Tripolis nehmen die Bürger Bengasis | |
> das Gesetz in die eigene Hand – und zeigen den Milizen, mit Gewalt, ihre | |
> Grenzen. | |
Bild: Vom Nationalkongress in Tripolis abgesetzt: Ministerpräsident Musafa Abu… | |
Bengasi hat sich in einer eindrucksvollen Demonstration gegen Extremismus | |
und Willkürherrschaft gestellt. In den letzten Wochen sah es fast so aus, | |
als würden die demokratischen Wahlen vom Juni, bei denen die Islamisten | |
abgestraft wurden, unerheblich werden und als würde Libyen im Chaos | |
versinken. | |
Die Ohnmacht der Bürger Bengasis richtete sich immer mehr gegen die | |
Untätigkeit der Regierung im tausend Kilometer entfernten Tripolis. Schon | |
zu Gaddafis Zeiten führten Zentralismus und Vernachlässigung der | |
Cyreneika-Region in Ostlibyen zu Spannungen mit der Hauptstadt. | |
Dort ruhte man sich auch nach der Revolution auf den wieder üppig | |
sprudelnden Einnahmen der Ölexporte aus und ließ die Bürger in den | |
zahlreichen lokalen Konflikten im Land allein. Das ist brandgefährlich – | |
auch für Europa. | |
Die Anarchie, die unzähligen in der Wüste unbewachten Waffendepots und der | |
Reichtum Libyens haben Bengasi zu einem Magneten für Extremisten aus | |
Nordafrika und Europa gemacht. Sie verbindet mit den nach Kairo und Algier | |
geflohenen ehemaligen Regimeanhängern eines: der Argwohn gegen einen | |
demokratischen Rechtsstaat, für den viele libysche Bürger gekämpft haben. | |
Die Bürger Bengasis haben in zwei demokratischen Abstimmungen klar zum | |
Ausdruck gebracht, was sie wollen. Bei den Stadtrats- und landesweiten | |
Wahlen stimmten sie mehrheitlich für gemäßigte Kandidaten. Auf unzähligen | |
Demonstrationen forderten Tausende einen fairen Staat, eine einheitliche | |
Polizei und Armee und das Ende der Milizen. | |
Mit dem Mord an US-Botschafter Stevens war das Maß nun voll, die Bürger | |
haben – leider auch mit Gewalt – ihre Forderungen durchgesetzt und nicht | |
auf die Regierung gewartet. Das ist Bürgerrevolution Teil zwei. | |
Den unappetitlichen Mohammed-Film aus Kalifornien wollten die Extremisten | |
nutzen, um die libysche Öffentlichkeit wieder auf ihre Seite zu ziehen. | |
Damit sind sie gescheitert. | |
23 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Mirco Keilberth | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Libyen weiterhin ohne Regierung: Sicherheitslage wird schlechter | |
Das Parlament entlässt Ministerpräsident Abushargur und lehnt sein Kabinett | |
ab. Die Krise geht einher mit einer drastisch verschlechterten | |
Sicherheitslage. | |
Regierungsbildung in Libyen: Nationalkongress in Tripolis gestürmt | |
Der libysche Premier Abu Schagur hat seine Kabinettsliste vorgelegt. Aber | |
die Regierungsbildung scheiterte, weil Demonstranten in den Kongress | |
eindrangen. | |
Sichherheitslage in Libyen: Die Zeichen stehen auf Krieg | |
Regierungstruppen in Libyen umstellen die letzte Gaddafi-Bastion. | |
Islamisten verüben Anschläge in Bengasi und die USA erwägen einen | |
militärischen Angriff. | |
Libyen nach dem Botschaftssturm: Bürgeraufstand gegen Extremisten | |
Die Menschen wollen sich ihre Revolution gegen Gaddafi nicht von Salafisten | |
zerstören lassen. Im libyschen Bengasi stürmen Demonstranten deren | |
Kasernen. | |
Mehrere Tote bei Ausschreitungen: Libyen will Milizen verbieten | |
Die libyschen Behörden wollen Brigaden und bewaffnete Gruppen verbieten | |
lassen. Am Samstag starben mindestens elf Menschen bei Ausschreitungen | |
zwischen Bürgern und Milizen. |