| # taz.de -- Kolumne Blicke: Die Polizisten | |
| > In Neukölln werden sie beschimpft, in Genua foltern sie - und nirgendwo | |
| > sollte man sie sich selbst überlassen. Die Polizisten. | |
| Bild: Man darf sie nicht sich selbst überlassen: Die Polizei. | |
| Manchmal läuft es so: Jemand will aus seinem Auto aussteigen und muss dazu | |
| natürlich die Tür aufmachen. Vorher in den Rückspiegel zu schauen wäre | |
| gewiss nicht verkehrt, aber das vergisst man schon mal. Ich sage das ohne | |
| Auto und ohne Sarkasmus. Darum geht es heute auch nicht – also nicht um | |
| Rippenprellung und juristisches Gezerre. Es geht darum, dass ich in der | |
| letzten Zeit ungewöhnlich viel mit der Polizei zu tun hatte. | |
| Polizisten werden zu Orten gerufen, an denen etwas geschehen ist. Sie | |
| müssen sich ein Bild machen, sie müssen kommunizieren. Kürzlich lag in | |
| meinem Hausflur ein Rucksack, durchwühlt, offensichtlich abgezogen und hier | |
| entsorgt. Ich rief die Polizei an. Man fragte mich, ob ich den Rucksack | |
| vorbeibringen könne. Ich sagte, nein, ich hätte zwei Kinder zu versorgen. | |
| Zwei Stunden später standen zwei Polizisten bei mir in der Wohnung, nachdem | |
| mich einer von ihnen angeherrscht hatte, warum ich den Rucksack nicht | |
| vorbeigebracht hätte, worauf ich wieder auf meine Kinder verwies, die ein | |
| Recht auf ihre Pfannkuchen hätten. Die Polizisten standen also in meiner | |
| Wohnung, und während sie den Rucksack durchsahen, dachte ich mir, dass ich | |
| sie natürlich nicht in meine Wohnung hätte lassen müssen. | |
| ## Sprachlose Polizistin | |
| Die Polizisten, die meinen Fahrradunfall aufnahmen, hatten sich dazu in | |
| einen Hauseingang zurückgezogen. Dann kam ein Mann heraus und fing | |
| ansatzlos an, die Polizisten zu beschimpfen, warum sie in seinem | |
| Hauseingang herumlungern würden usw. Die Polizistin der Polizisten wirkte | |
| ehrlich schockiert, ja sprachlos, warum ihr so begegnet wurde, und | |
| vielleicht ist sie eine von denen, auf die sich der Bürgermeister von | |
| Neukölln, Heinz Buschkowsky, in seinem neuen Buch beruft, wenn er von der – | |
| migrantischen – Respektlosigkeit gegenüber den Polizisten auf den Straßen | |
| Neuköllns berichtet. | |
| Die Polizisten auf den Straßen Neuköllns gehören jener Organisation an, die | |
| mit Nazi-V-Männern kungelt und sich nicht vorstellen kann, dass Ausländer | |
| aus anderen Gründen erschossen werden als dem, dass sie in irgendeine | |
| kriminelle Machenschaft verwickelt sind. Die Tagesspiegel-Kolumnistin | |
| Hatice Akyün hat den NSU „unseren 11. September“ genannt – nur wolle das | |
| noch niemand wahrhaben. | |
| Einmal war ich auf eine Polizistenparty eingeladen. Als ich den Partyraum | |
| betrat, trafen mich für ein paar Sekunden ein Dutzend Blicke. Dann wandten | |
| sich die Polizisten ab. Nie habe ich mich so harmlos gefühlt wie in diesem | |
| Moment. Ich war ein braver Bürger, gehörte nicht zur Klientel, war | |
| uninteressant. Und in Kalabrien ging ich mit leicht hippieesk aussehenden | |
| Anti-Mafia-Aktivisten in eine Carabinieri-Kaserne. Die Carabinieri standen | |
| stramm, sie servierten Espresso, sie sagten den Anti-Mafia-Aktivisten: Wir | |
| machen nur unseren Job – aber ihr: Ihr seid wirklich mutig. Wir sind euch | |
| sehr dankbar. | |
| Möglicherweise waren diese Carabinieri auch in Genua im Einsatz gewesen und | |
| waren dort anstandslos den Befehlen gefolgt, Menschen zu foltern. Die | |
| Polizei ist eine ernste Angelegenheit: Man darf sie nicht sich selbst | |
| überlassen. | |
| 27 Sep 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ambros Waibel | |
| ## TAGS | |
| Blicke | |
| Bundeswehr | |
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