# taz.de -- Verhandlung über Stadtautobahn: A 100 mit Umweg über Leipzig | |
> Das Bundesverwaltungsgericht verhandelt ab heute die Klagen gegen die | |
> Verlängerung der A 100. Gegner wie Fans des Projektes geben sich | |
> optimistisch. | |
Bild: Über den Ausbau der Stadtautobahn 100 gibt es seit Jahren Streit. | |
Fast genau ein Jahr ist es nun her, dass die „unüberbrückbaren Differenzen�… | |
beim Bau der Stadtautobahn A 100 die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD | |
und Grüne zum Scheitern brachten. Die Folgen sind bekannt: Die | |
Sozialdemokraten unter dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit gingen | |
stattdessen ein Bündnis mit der autobahnfreundlichen CDU ein. Am heutigen | |
Donnerstag und am Freitag verhandelt nun das Bundesverwaltungsgericht in | |
Leipzig darüber, ob der Planfeststellungsbeschluss für die | |
A-100-Verlängerung rechtens ist. Das Urteil wird für Oktober erwartet. | |
Gerade mal 3,2 Kilometer lang ist das Teilstück zwischen dem Dreieck | |
Neukölln und dem Treptower Park, um das es derzeit geht. Zwei weitere | |
Bauabschnitte sollen später die Piste durch Friedrichshain bis über die | |
Frankfurter Allee hinaus verlängern. Schon für den ersten Bauabschnitt wird | |
mittlerweile mit Kosten in Höhe von 475 Millionen Euro gerechnet; die A 100 | |
dürfte die teuerste Autobahn Deutschlands sein. | |
Die Kläger erwarten vom Bundesverwaltungsgericht keine Entscheidung über | |
den Sinn des Ausbaus. Stattdessen sollen die Richter prüfen, ob die | |
Planfeststellungsbehörde bei der Abwägung alle Vorgaben erfüllt hat. Im | |
Februar hatten die Leipziger Richter bereits per Eilbeschluss | |
bauvorbereitende Maßnahmen der Senatsverwaltung untersagt. Die Behörde | |
hatte im Januar damit begonnen, ein Kleingartengelände zu räumen, das auf | |
dem künftigen A-100-Gebiet liegt. | |
Zu den 15 Klägern zählen der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, der | |
Umweltschutzbund BUND sowie AnwohnerInnen und UnternehmerInnen vor Ort. | |
Karsten Sommer, der die Klage als Rechtsanwalt vertritt, sieht eine | |
Vielzahl von Fehlern und Verstößen gegen deutsches und europäisches Recht. | |
„Der Lärm auf vielen Stadtstraßen wird nach den Verkehrs- und Lärmprognosen | |
auf ein gesundheitsgefährdendes Maß steigen“, warnt Karsten. Auch würde der | |
zusätzliche Verkehr auf der Treptower Elsenstraße die EU-weit geltenden | |
Luftschadstoffgrenzwerte überschreiten. Dabei seien Alternativrouten sowie | |
die Nullvariante gar nicht oder nur unzureichend geprüft worden. So belege | |
ein Gutachten des BUND, dass bei einer Verkehrsführung über die Stralauer | |
Allee der Luftschadstoffausstoß deutlich geringer seien. „Das Land Berlin | |
hat diese Alternative gar nicht betrachtet“, sagt der Anwalt. | |
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung weist die Einwände zurück und | |
gibt sich vor der Gerichtsverhandlung optimistisch. „Wir haben | |
professionell und sorgfältig gearbeitet“, sagte Sprecherin Daniela | |
Augenstein der taz. Die Behörde hofft, dass noch in diesem Jahr die | |
Baufelder vorbereitet werden können. Das eigentliche Bauprojekt soll dann | |
im kommenden Jahr beginnen. | |
„Ich gehe davon aus, dass das Gericht der Planfeststellungsbehörde folgt“, | |
zeigte sich Ole Kreins, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, | |
zuversichtlich. „Ein Aufheben des Planfeststellungsbeschlusses im Grundsatz | |
wäre eine Katastrophe“, so der Abgeordnete aus dem Bezirk Lichtenberg. Auch | |
sein CDU-Kollege Olivier Friederici geht davon aus, dass das Gericht die | |
Planung nicht kippen wird. „Allerdings könnte es Auflagen geben“, so | |
Friederici zur taz. | |
Unterdessen setzen die A-100-GegnerInnen nicht nur auf das | |
Bundesverwaltungsgericht. Sie hoffen vor allem auf eine Kehrtwende des | |
Bundesverkehrsministeriums, das den Ausbau finanziert. | |
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) habe gesagt, dass er keinen | |
Spielraum für den Beginn von neuen Bauprojekten sehe, sagte Tilmann Heuser, | |
Landesgeschäftsführer des BUND. Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des | |
Bundestags, Tony Hofreiter (Grüne), hält den Ausbau für unverantwortlich. | |
„Der Bund hat dieses Geld nicht“, sagte Hofreiter. „Viele Fernstraßen ha… | |
Sanierungsbedarf.“ | |
Bislang ist der Verkehrsminister nicht von der A 100 abgerückt. Im Vorwort | |
zum Investitionsrahmenplan 2011–2015 für die Infrastruktur des Bundes (IRP) | |
rühmt er sich damit, dass der IRP „erstmals klare Prioritäten setzt und die | |
Investitionsplanung an den tatsächlich vorhandenen | |
Finanzierungsmöglichkeiten ausrichtet“. Die Projektauswahl in dem | |
Fünfjahresplan orientiere sich am Machbaren. Die Verlängerung der A 100 ist | |
als „prioritäres Vorhaben im IRP-Zeitraum“ eingestellt. Die Planer rechnen | |
also mit einem Baubeginn vor 2015. | |
„Wir wollen das Urteil abwarten“, sagte ein Sprecher des | |
Bundesverkehrsministeriums auf taz-Anfrage. Erst danach werde über die | |
Finanzierung entschieden. Grundsätzlich stehe der Bund zu dem Projekt. | |
Sicher ist, dass die A 100 weiterhin großen Einfluss auf die Berliner | |
Landespolitik ausüben wird. Auch bei der SPD selber ist der Ausbau | |
umstritten. Auf Landesparteitagen musste Klaus Wowereit seine Genossen | |
ordentlich umgarnen, um ihnen ein Votum zum Bau abzutrotzen. „Klaus | |
Wowereit hat sein politisches Schicksal schon immer an die A 100 geknüpft“, | |
erinnert der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Ole Kreins. Sollte der | |
Ausbau nun gestoppt werden, wäre das für Wowereit nach dem Flughafendebakel | |
eine ziemliche Packung und für die rot-schwarze Koalition ein Rückschlag. | |
Ole Kreins glaubt jedoch nicht, dass eine Leipziger Entscheidung gegen die | |
A 100 die rot-schwarze Koalition in Gefahr brächte. „Falls der | |
Planfeststellungsbeschluss aufgehoben werden sollte, hätte das sachliche | |
und nicht politische Gründe.“ | |
27 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kulms | |
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