# taz.de -- Sparpolitik in Spanien: Und nochmal drauf | |
> Premier Rajoy spart radikal. Um die Vorgaben der EU zu erfüllen, kürzt | |
> Madrid erstmals bei Rentnern. Dennoch steigen die Zinsausgaben auf | |
> Rekordniveau. | |
Bild: Es dürfte weitere Proteste geben: Demonstranten umringen am Dienstag Pol… | |
MADRID taz | Die Regierung des konservativen spanischen Ministerpräsidenten | |
Mariano Rajoy mag keine konkreten Zahlen. Als am Donnerstagnachmittag der | |
Haushalt für 2013 vorgestellt wurde, wurde nur weniges wirklich klar: Die | |
Ausgaben für die Zinsen der Staatsanleihen steigen um 5,6 Prozent und | |
werden 2013 38 der insgesamt 124 Milliarden Euro des Haushaltes | |
verschlingen. Das ist doppelt so viel wie noch vor drei Jahren. Erstmals | |
liegen diese Ausgaben damit über dem, was allen Ministerien zusammen zur | |
Verfügung steht. | |
Die Zuwendungen an die Rentenversicherung steigen ebenfalls um rund 6,7 | |
Milliarden Euro. Um diese zu decken wird die Regierung erstmals die | |
Rücklagen angreifen. „Es ist ein Krisenhaushalt, um aus der Krise zu | |
kommen“, erklärte die Vizepräsidentin und Regierungssprecherin Soraya Sáenz | |
de Santamaría. Der Sparkurs soll verhindern, dass Spanien als ganzes unter | |
den Eurorettungsschirm schlupfen muss. | |
Um die Mehrausgaben zu decken, würden 58 Prozent aus weiteren Kürzungen und | |
42 Prozent aus Mehreinnahmen stammen, erklärte Finanzminister Crístobal | |
Montoro. Der staatliche Rundfunk Radio Nacional beziffert den Gesamtbedarf | |
auf 40 Milliarden Euro. Wie viel konkret und wo eingespart werden soll, gab | |
die Regierung nicht bekannt. „Darüber reden wir auf einer späteren | |
Pressekonferenz detailliert“ hieß es. Mit dem „schlanksten Haushalt seit | |
der Rückkehr Spaniens zur Demokratie“ im Jahre 1975 solle das Defizit des | |
Zentralstaates Ende 2013 auf 3,8 Prozent sinken. Der Rest – bis zu den mit | |
Brüssel vereinbarten 4,5 Prozent – wird auf die Regional- und | |
Kommunalverwaltungen entfallen. Die Ausgaben aller Verwaltungsebenen werden | |
künftig von einer eigens dafür geschaffenen Behörde streng kontrolliert | |
werden. | |
## Nullrunde für Beamte und Angestellte | |
Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst, deren Gehalt in den letzten | |
beiden Jahren um durchschnittlich fünf Prozent gekürzt wurde, müssen 2013 | |
eine Nullrunde hinnehmen. Frei werdende Stellen werden nur noch im | |
Gesundheitswesen und bei der Polizei teilweise neu besetzt. Immerhin soll | |
es – so will die spanische Presse in Erfahrung gebracht haben – 2013 wieder | |
Weihnachtsgeld geben. | |
Im Schnitt wird den Ministerien 8,9 Prozent weniger zur Verfügung stehen, | |
erklärte Finanzminister Crístobal Montoro. Am Besten kommt laut spanischer | |
Presse das Justizministerium mit minus 4,2 Prozent weg. Beim | |
Industrieministerium sind es nach Angaben des zuständigen Ministers bei | |
einer morgentlichen Veranstaltung 40 Prozent. Einzelne Posten, die bisher | |
von den jeweiligen Ministern bestätigt wurden, zeugen von tiefen | |
Einschnitten. Unter anderem wird noch weniger Geld in Infrastrukturen (-22 | |
Prozent), Pflegegeld (-15) und Kultur (-30) fließen. | |
Erstmals wird die Regierung auch bei den Renten die Schere ansetzen. Die | |
Ausgaben der Sozialversicherung stiegen 2012 um 6,7 Milliarden Euro. Schuld | |
daran ist nicht zuletzt die Tatsache, dass sich viele Beamte und | |
Angestellten im öffentlichen Dienst mit 60 Jahren zur Ruhe setzten, aus | |
Angst diese Regelung könnte gestrichen werden. Genau so wird es jetzt | |
kommen. Das kündigte Rajoy bereits einen Tag vor der Kabinettssitzung | |
gegenüber der Presse in den USA an. | |
## Versteuerung von Lottogewinnen | |
Auf der Einnahmeseite wird die Vermögenssteuer ein Jahr länger gültig sein. | |
Gewinne aus kurzfristigen Geldgeschäften werden ebenso versteuert wie | |
Lotteriegewinne. Das soll 4,3 Milliarden einbringen. Außerdem erhofft sich | |
die Regierung für das kommende Jahr 15 Milliarden Euro Mehreinnahmen dank | |
der Mehrwertssteuererhöhung vom vergangenen 1. September. | |
Es ist der dritte spanische Sparhaushalt in Folge. Unter Rajoys Vorgänger, | |
José Luis Rodríguez Zapatero, wurden 15 Milliarden gespart. In diesem Jahr | |
kürzte Rajoy die Ausgaben um mehr als 27 Milliarden Euro. Die Regionen | |
sparten bei Bildung und Gesundheit weitere 10 Milliarden. Rajoy hat als | |
Gegenleistung für das 100-Milliarden-Euro-Paket zur Rettung des | |
Finanzsektors aus Brüssel versprochen, bis Ende 2014 die Staatsausgaben um | |
insgesamt 65 Milliarden Euro drücken. | |
27 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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