# taz.de -- Organskandal: Minister ordnet Not-OP an | |
> Das Transplantationszentrum am Münchner Klinikum rechts der Isar bekommt | |
> nach Manipulationsvorwurf neue Leitung. Verdacht eines Schweigekartells | |
> erhärtet sich. | |
Bild: In solchen Kühlboxen werden Spenderorgane transportiert – nicht immer … | |
Nach Vorwürfen wegen gezielter Manipulation von Patientendaten wird das | |
Transplantationszentrum am Münchner Klinikum rechts der Isar neu | |
strukturiert. „Mit sofortiger Wirkung“ übernehme der Direktor der Klinik | |
für Anästhesiologie, Eberhard Kochs, die kommissarische Leitung des | |
Zentrums, teilte der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch | |
(FDP) am Samstag mit. Vorausgegangen war eine Krisensitzung des | |
Aufsichtsrats des Klinikums, dessen Mitglied Kochs ist. | |
Kochs solle den Übergang moderieren, bis „zeitnah“ eine neue Leitung | |
bestellt werde, so das Ministerium: „Erste Gespräche mit einer externen | |
Persönlichkeit“ liefen bereits. Die Transplantationsmedizin werde überdies | |
in ein „selbstständiges Zentrum“ überführt. Bislang hatte die Verantwort… | |
bei der Klinik für Chirurgie sowie der Medizinischen Klinik II, also den | |
Internisten, gelegen. | |
Die drei bisherigen Zentrums-Verantwortlichen – der Direktor der Klinik für | |
Chirurgie, der Direktor der Medizinischen Klinik II sowie der Leiter der | |
Abteilung für Nephrologie an der Klinik II – dürfen weiterarbeiten. | |
„Suspendierungen“ gebe es nicht, bestätigte eine Kliniksprecherin. | |
In welchem Umfang sie aber künftig noch mit der Transplantationsmedizin zu | |
tun haben, ist offen. Abhängig von den Ergebnissen der Ermittlungen der | |
Staatsanwaltschaft sowie der Prüfungskommission bei der Ärztekammer behalte | |
sich der Aufsichtsrat „weitere Schritte vor“, drohte Heubisch. Bis | |
Redaktionsschluss war keiner der drei Professoren für eine Stellungnahme | |
erreichbar. | |
## Die Manipulation | |
Offen ist die Frage, wie viele und welche Mitarbeiter seit wann von dem | |
Manipulationsverdacht wussten. Die Auffälligkeiten bei den | |
Lebertransplantationen begannen bereits etwa im Sommer 2007, erfuhr die taz | |
aus Klinikkreisen. Damals wechselte der Chirurgieprofessor F., bis dahin | |
leitender Oberarzt an der Uniklinik in Heidelberg, an die Spitze der | |
Chirurgie rechts der Isar. | |
Wie bei Professoren üblich, brachte F. aus Heidelberg eigene Leute mit, | |
darunter den ehrgeizigen, jungen Chirurgen B., der schnell zum Leiter der | |
Lebertransplantationen aufstieg und die bis dahin mäßigen Operationszahlen | |
binnen kurzer Zeit fast verdoppelte. B., der inzwischen Chefarzt an einem | |
anderen bayerischen Krankenhaus ist, gilt heute als Hauptverdächtiger für | |
die Manipulationen und ist seit Tagen unerreichbar. | |
Das Verhältnis zwischen F. und B. sei so eng gewesen, berichten | |
Klinikkollegen, dass es schwer vorstellbar sei, F. habe von den Fälschungen | |
nichts gewusst. Entsprechende Warnhinweise, auch an den Ärztlichen Direktor | |
der Klinik, Reiner Gradinger, seien damals als Gerede abgetan worden. | |
Kenntnis hatte offensichtlich auch S., damals wie heute Direktor der | |
Medizinischen Klinik II. | |
In S.’ Schreibtisch jedenfalls fand sich vorige Woche ein | |
Gedächtnisprotokoll aus 2010, in dem ein Mitarbeiter über eine Manipulation | |
von Blutwerten durch B. berichtet. Warum S. zwei Jahre lang schwieg, bleibt | |
sein Geheimnis. Von der taz danach gefragt, knallte S. den Hörer auf die | |
Gabel. | |
## Das Schweigekartell | |
Klinikkollegen schildern S. als „geradlinig mit seriösen | |
Forschungsergebnissen“. Manipulation passe nicht zu ihm. Wollte S. also | |
jemanden schützen? S. und F. kennen sich seit gemeinsamen Zeiten an einer | |
Klinik in Ulm. S. soll sich maßgeblich dafür eingesetzt haben, dass F. 2007 | |
nach München wechseln konnte. Ab 2008 soll es dann aber zu Verwerfungen | |
gekommen sein. Der Wissenschaftsminister sprach am Samstag von | |
„kommunikativen Defiziten“. | |
Als etwa Kritik an der chirurgischen Leistung F.s hörbar wurde und die | |
Patientenzahlen zurückgingen, soll dieser – um seine Betten zu füllen – | |
auch internistische Patienten in der Chirurgie aufgenommen haben, ein | |
Affront gegen den Internisten S. Der Streit eskalierte wohl, als F. vor | |
Monaten einen eigenen Internisten in der Chirurgie einstellte. | |
Dennoch hielt S. weiter dicht. Das Protokoll hat nicht etwa er von sich aus | |
erwähnt – es war ein Kollege, der sich erinnerte, dass es in S.’ | |
Schreibtisch lag. S. müsse geahnt haben, hieß es aus Klinikkreisen, dass | |
die Konsequenzen erheblich wären, würde die Sache ans Licht kommen. | |
7 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
## TAGS | |
Transplantationsskandal | |
Lebertransplantation | |
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