# taz.de -- Transplantations-Skandal: Eine Frage der Dialyse | |
> Das Münchner Klinikum rechts der Isar muss einräumen: Ja, es wurde bei | |
> Transplantationen manipuliert. Die Frage ist nur: wie oft? | |
Bild: Zwei leberkranke Patienten bekamen wahrscheinlich gar keine Dialyse. | |
BERLIN taz | Die Zahl der Verdachtsfälle vorsätzlicher Manipulationen von | |
Patientendaten am Münchner Klinikum rechts der Isar steigt. "Wir sind uns | |
inzwischen ziemlich sicher, dass manipuliert wurde, wissen aber nicht, in | |
welchem Umfang", sagte eine Sprecherin des Klinikums am Donnerstag der taz. | |
"Wir schließen nicht aus, dass es mehr als ein Fall gewesen sein könnte." | |
Wie die taz aus Klinikkreisen erfuhr, geht man am Klinikum davon aus, dass | |
bei zwei leberkranken Patienten die Angaben über vermeintlich erfolgte | |
Dialysen gefälscht worden sein könnten. Am Dienstag hatte der Ärztliche | |
Direktor, Reiner Gradinger, noch erklärt, zunächst müsse wohl nur bei einer | |
der insgesamt neun entdeckten "Auffälligkeiten" von bewusster Manipulation | |
ausgegangen werden. In diesem Fall ging es um einen auffällig hohen | |
Blutwert. | |
In den beiden nun zusätzlich unter Manipulationsverdacht stehenden | |
Dialyse-Fällen verfügt das Klinikum nach Informationen der taz über | |
keinerlei Nachweise, dass die beiden Dialysen aus den Jahren 2010 und 2011 | |
tatsächlich erfolgt sind. Es fehlten nicht nur die Dialyse-Protokolle, die | |
normalerweise während jeder Blutwäsche erstellt und in der Patientenakte | |
abgeheftet würden, erklärten Mitarbeiter gegenüber der taz. Die Dialysen | |
seien auch nicht gegenüber den Krankenkassen abgerechnet worden. | |
Bei einer durchschnittlichen Vergütung teilstationärer Dialysen von 290 | |
Euro pro Tag gilt ein zufälliges Vergessen der Abrechnung als eher | |
unwahrscheinlich. Zudem fehlen Belege, wonach die schwer kranken Patienten | |
von einem Transportdienst zur Dialyse gefahren worden sind. "Wir haben | |
keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Dialysen stattgefunden haben und | |
müssen derzeit mit allem rechnen", erfuhr die taz aus Mitarbeiterkreisen. | |
Gegenüber der für die Organvergabe verantwortlichen Stiftung Eurotransplant | |
hatten die Ärzte dagegen angegeben, die Dialysen seien durchgeführt worden. | |
Dadurch waren die Patienten auf der Warteliste nach oben gerückt und hatten | |
eine Spenderleber bekommen. | |
Um die Interpretation eines weiteren Verdachtsfalls streitet das Klinikum | |
derzeit mit der Bundesärztekammer. Dabei geht es um einen Tumorpatienten | |
mit Metastasen, der nach Einschätzung des Ärztekammerpräsidenten aufgrund | |
seiner fortgeschrittenen Erkrankung nach den Richtlinien zur | |
Lebertransplantation der Bundesärztekammer nicht mehr hätte transplantiert | |
werden dürfen. Das Klinikum hält die Operation dagegen nach Angaben ihrer | |
Sprecherin "weiterhin für richtlinienkonform" und hat nach Informationen | |
der taz zur weiteren Klärung einen Medizingutachter eingeschaltet. | |
4 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
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