# taz.de -- Lohngerechtigkeit für Frauen: Der Pflege fehlt das Geld von außen | |
> Die Gesundheitsbranche ist eine Frauendomäne – und schlecht bezahlt. Die | |
> Kampagne zum „Equal Pay Day“ will das ändern. Ein Vorbild könnte Dänem… | |
> sein. | |
Bild: Typischer Frauensektor: Die Altenpflege. | |
BERLIN taz | Vier Tage gewonnen. Der Tag, bis zu dem Frauen im nächsten | |
Jahr weiterarbeiten müssten, um die Männerlöhne von 2012 einzuholen, ist um | |
vier Tage nach vorn gerückt, vom 25. März auf den 21. März 2013. Die | |
Lohnlücke ist also geschrumpft: von 23 auf 22 Prozent. | |
Kein Anlass zum Jubeln, finden die Business and Professional Women (BPW), | |
die jährlich den „Equal Pay Day“ ausrichten und am Montag in der Berliner | |
Charité ihre Kampagne vorstellten. Denn diese Lücke verschwindet nicht von | |
allein. An verschiedenen Enden muss geschraubt werden, um sie weiter zu | |
schließen. | |
Einer der vielen Gründe für den Lohnunterschied ist die schlechte Bezahlung | |
der Berufe, in denen traditionell viele Frauen arbeiten, so etwa die | |
Gesundheitsberufe. 80 Prozent der Beschäftigten hier sind Frauen. Der | |
Gesundheitssektor ist riesig: Er trägt so viel zum Bruttoinlandsprodukt bei | |
wie Kfz- und Maschinenbau zusammen, fast 6 Prozent. | |
Gut ein Fünftel des Lohnunterschieds zwischen Männern und Frauen kann durch | |
die Tatsache erklärt werden, dass die schlechter bezahlten Sektoren | |
typische „Frauensektoren“ sind: Man ging (und geht) davon aus, dass | |
„Nächstenliebe“ unbezahlbar sei – und eine Frau ohnehin von ihrem Mann | |
ernährt wird, erklärte BPW-Chefin Henrike von Platen und verwies darauf, | |
dass schon die erste Medizinprofessorin Preußens, Rahel Hirsch, die | |
Poliklinik der Charité von 1908 bis 1919 ohne jedes Gehalt leitete. Deshalb | |
bilden die Gesundheitsberufe den Schwerpunkt für die neue Kampagne. | |
## Die Pflegetöpfe sind leer | |
Höhere Gehälter für Pflegekräfte? Automatisch denkt man an die | |
Pflegeversicherung und die private Vorsorge, den Pflege-Bahr – und daran, | |
dass diese beiden Töpfe viel zu klein sind, um Pflegebedürftige ausreichend | |
zu betreuen. Wo sollen höhere Pflegesätze herkommen? | |
Katja Nebe, Professorin für Bürgerliches Recht an der Uni Bremen, zeigte | |
die Schwierigkeiten, aber auch die Ansatzpunkte, an denen Änderungen | |
möglich sind. Schwierig ist etwa das Credo der Beitragssatzstabilität: auf | |
keinen Fall sollen die Lohnnebenkosten steigen. Zudem ist die | |
Pflegeversicherung als „Teilkaskoversicherung“ organisiert: Einen großen | |
Teil tragen die Versicherten selbst. Können sie das nicht, springt das | |
Sozialamt ein. | |
Einen Angriffspunkt sieht Nebe in der Vorgabe der „leistungsgerechten“ | |
Bezahlung aus den Pflegekassen. „Das kann auch als ’geschlechtergerecht‘ | |
ausgelegt werden“, so Nebe. Wenn man bei der Einordnung der Tätigkeit die | |
psychischen und körperlichen Leistungen der Pflegenden, die bislang kaum | |
vergütet wurden, ausreichend berücksichtigte, dann müsste man die Kräfte | |
auch besser bezahlen. Und wer fordert diese Löhne ein? | |
Antidiskriminierungsverbände, so Nebes Tipp. Diese könnten das Allgemeine | |
Gleichbehandlungsgesetz anwenden. | |
Kleiner Haken: Ein solches Verbandsklagerecht gibt es noch nicht. Und Lutz | |
Stroppe, Staatssekretär im Familienministerium, konnte auch keine Bewegung | |
in diese Richtung melden. | |
## Dänische High Road | |
Eines aber betonte auch Nebe: „Es muss mehr Geld von außen ins System.“ Wer | |
meint, dass das ganz und gar nicht möglich ist, könnte einen Blick nach | |
Dänemark riskieren: Nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung gab | |
Dänemark 2010 pro Einwohner über 65 Jahren 6.357 Euro aus – Deutschland | |
dagegen gerade mal 1.209 Euro. Dadurch, dass so viel Geld im System ist, | |
sind die dänischen Pflegeberufe gut bezahlt und qualitativ hochwertig. Eine | |
„High Road“ nennt Autorin Cornelia Heintze dieses Vorgehen, mit viel Geld | |
viel Lebensqualität herzustellen. | |
In Deutschland dagegen ist man auf einer „Low Road“ unterwegs. Wie die | |
Dänen das bezahlen? Sie haben kein Problem mit Lohnnebenkosten, sie erheben | |
für die Pflegeleistungen einfach eine Steuer. | |
8 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
## TAGS | |
Steinbrück | |
Mittelschicht | |
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