# taz.de -- Posse um Pendler-Fahrräder: Wenn der Bauhof-Laster kommt | |
> Am Niebüller Bahnhof lässt das Ordnungsamt Fahrräder entfernen - sie | |
> behindern angeblich Fußgänger. Die Radler sehen das anders. Klar ist: | |
> Stellplätze fehlen | |
Bild: Auf Hinweiszettel folgt die Ladefläche: Zweirad-Abtransport im nordfries… | |
NIEBÜLL taz | Das ist die Wunschvorstellung vieler Verkehrsplaner, die auch | |
die Klimabilanz der Nutzer im Blick haben: Pendler, die mit der Bahn zur | |
Arbeit fahren – und auch die ersten Kilometer von der Haustür zum Bahnhof | |
mit dem Rad zurück legen. Doch was tun, wenn die guten Wetter und die hohen | |
Benzinpreise mehr Leute überzeugen, und es in den Abstellanlagen eng wird? | |
Am Bahnhof Niebüll lässt das Ordnungsamt falsch parkende Fahrräder | |
abschleppen. Von hier aus reisen viele Pendler nach Sylt, um dort zu | |
arbeiten. | |
„Diese Vorgehensweise ist total daneben“, sagt Arndt Prenzel. Er ist einer | |
von denen, die täglich auf die Insel fahren und hat das Abschleppen | |
beobachtet. Das zuständige Amt Südtondern habe zunächst Zettel ausgehängt. | |
Danach seien die angeblichen Fahrrad-Falschparker auf ein kleines | |
Bauhof-Fahrzeug verladen worden. „Es ist eng in der Fahrradabstellanlange | |
und manchmal muss man ein Rad zur Seite räumen, um an seines zu kommen“, | |
sagt Prenzel. Doch Fußgänger gestört habe das nicht. Das sei nur ein | |
Problem innerhalb der überdachten Anlage. | |
„Das war keine willkürliche Abschlepp-Aktion“, sagt dagegen der | |
Bürgermeister von Niebüll, Wilfried Bockholt. Es gebe einen Fußweg zum | |
Bahnhof, der durch die Abstellanlage führt – und dieser sei zugeparkt. So | |
sei es zu eng geworden für Menschen mit Rollator, Rollstuhlfahrer und | |
Eltern mit Kinderwagen, es habe Beschwerden gegeben. Deswegen habe die | |
Verwaltung des Amtes Südtondern, zu dem auch Niebüll gehört, reagiert. „Wir | |
haben zunächst den Fahrradweg deutlicher markiert und auf Handzetteln | |
darüber informiert, dass ein Fußgängerweg blockiert wird“, sagt Judith | |
Horn, Sprecherin der Verwaltung. Das Ordnungsamt kontrolliere, ob Radfahrer | |
verkehrsbehindernd parkten und würden dann den Bauhof-Mitarbeiter rufen. | |
„Das ist so, wie wenn sie mit dem Auto wild parken“, so Bürgermeister | |
Bockholt. | |
„Wildes Fahrradparken gibt es gar nicht in der Straßenverkehrsordnung“, | |
sagt Heinz-Jürgen Heidemann, Sprecher beim schleswig-holsteinischen | |
Landesverband des Fahrrad-Clubs ADFC. Im Prinzip dürfe man überall parken, | |
solange niemand behindert werde, also etwa Fluchtwege versperrt werden. | |
Einen Bewusstseinswandel in der Politik beobachte er beim Thema | |
Fahrradstellplätze, sagt Heidemann. Das habe man jetzt auf der Agenda. „Das | |
wäre vor zehn Jahren noch gar nicht denkbar gewesen.“ Er glaubt: „Der | |
Problemdruck wird zu groß.“ | |
Offenbar auch in Niebüll. „Der Bedarf für weitere Stellplätze ist da“, | |
bestätigt Bürgermeister Bockholt. Für den Haushalt 2013 seien Ausgaben | |
dafür von der Verwaltung angemeldet worden. Jetzt müsse die Kommunalpolitik | |
darüber entscheiden. Ihn faszinieren auch Fahrradparkhäuser, wie sie in | |
größeren Städten stehen. „Das ist eine ganz tolle Lösung“, doch die Kos… | |
seien sehr hoch. | |
Hilfe für solche Investitionen gibt es beim Kieler Verkehrsministerium. | |
„Wir fördern die Errichtung der Fahrradabstellanlagen mit 75 Prozent der | |
Investitionskosten“, sagt Sprecher Harald Haase. Die Entscheidung über den | |
Bau ist Sache des Landes. Anders als zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen | |
gebe es aber kein spezielles Programm für bewachte Fahrradstationen. Sollte | |
sich aber eine Kommune engagieren, helfe auch das Land. | |
8 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniel Kummetz | |
## TAGS | |
Pendler | |
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