# taz.de -- Protest gegen Kanzlerin in Athen: „Tochter Hitlers – raus du Sc… | |
> Die Ankunft von Angela Merkel in Griechenland wird von wütenden Protesten | |
> begleitet. Die Erfolgschancen der Kanzlerin werden sehr unterschiedlich | |
> bewertet. | |
Bild: Wütende Proteste im Zentrum von Athen. | |
BERLIN/ATHEN dapd/dpa/afp | Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen ist | |
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag zu Gesprächen mit der | |
griechischen Staatsspitze in Athen eingetroffen. Mehr als 7.000 Polizisten | |
sind im Einsatz. | |
Am Athener Flughafen wird Merkel mit militärischen Ehren empfangen, in der | |
Innenstadt mit heftigen Protesten: Auf dem Platz vor dem Parlament | |
versammelten sich nach ersten Schätzungen der Polizei rund 30.000 Menschen. | |
Sie protestieren gegen das harte Sparprogramm und machten Merkel zum Teil | |
verantwortlich für die Arbeitslosigkeit und das Schrumpfen der griechischen | |
Wirtschaft. | |
Mehrere diffamierende und beleidigende Plakate mit Nazi-Vergleichen waren | |
bei zwei Protestkundgebungen zu sehen. Einige Demonstranten trugen SS- und | |
Wehrmachtsuniformen, mehrere Hakenkreuzfahnen wurden verbrannt. Mehrere | |
Dutzend Protestierende lösten sich aus einer friedlichen Demonstration und | |
warfen mit Steinen auf die Polizisten. Diese reagierten mit Pfefferspray | |
und Blendgranaten. Als versucht wurde, eine Absperrung in der Nähe des | |
Parlaments zu stürmen, setzte die Polizei Tränengas ein. Das | |
Staatsfernsehen berichtete schon am Vormittag über erste Festnahmen. | |
Auch auf dem zentralen Omonia Platz kamen mehrere tausend Anhänger der | |
Kommunistischen Partei (KKE) zu einer Demonstration zusammen. „Jetzt | |
Volksaufstand gegen die Sparpolitik“, skandierten sie. Einige Demonstranten | |
trugen Transparente mit Aufschriften wie: „Raus aus unserem Land, du | |
Schlampe“ oder „Tochter Hitlers, raus aus Griechenland und kein Viertes | |
Reich“. | |
Im Mittelpunkt der Gespräche steht die Lage des finanziell angeschlagenen | |
Eurostaates, dessen Probleme größer sind als bisher angenommen. | |
Regierungschef Antonis Samaras hat bereits um finanzielle Erleichterungen | |
gebeten und in dramatischen Worten vor den Folgen einer weiteren | |
Verschlechterung der wirtschaftlichen und sozialen Lage seines Landes | |
gewarnt. | |
## Junckers Ultimatum | |
Die Euro-Gruppe hat Griechenland unterdessen ein Ultimatum von zehn Tagen | |
zur Einhaltung seiner Sparversprechen gesetzt. Vor der Freigabe der | |
nächsten Notkredite sollte das Land „spätestens bis zum 18. Oktober die | |
schon im März vereinbarten Maßnahmen umsetzen“, sagte Eurogruppenchef | |
Jean-Claude Juncker am Montagabend nach Beratungen der Euro-Finanzminister | |
in Luxemburg. Das Land braucht spätestens Mitte November weitere 31,5 | |
Milliarden Euro aus dem zweiten Rettungsprogramm, um nicht in die Pleite zu | |
rutschen. | |
Merkel will den Hellenen bei den Gesprächen ihre Unterstützung ausdrücken | |
und sie zugleich an die eingegangenen Verpflichtungen erinnern. „Gutes | |
Wirtschaften und Solidarität“ sei die beste Kombination für die Zukunft | |
Europas, sagte die Kanzlerin vor ihrer Abreise. Bei dem eintägigen Besuch | |
stehen auch Gespräche mit deutschen und griechischen Unternehmern auf dem | |
Programm. | |
Unmittelbar vor dem Besuch Merkels knüpfte Bundeswirtschaftsminister | |
Philipp Rösler (FDP) weitere Zugeständnisse der Euro-Partner an die | |
Umsetzung von Reformen. „Der Besuch der Bundeskanzlerin in Griechenland | |
zeigt, dass wir nach wie vor zur Solidarität bereit sind, allerdings gilt | |
ebenso nach wie vor, dass die zugesagten Reformen auch umgesetzt werden | |
müssen. Ob das gelingt oder nicht, wird der Troika-Bericht zeigen“, sagte | |
der FDP-Vorsitzende der Rheinischen Post (Dienstagausgabe). | |
## Skeptischer Finanzminister | |
Der Bericht der Troika aus Experten der EU, der Europäischen Zentralbank | |
(EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) über Spar- und | |
Reformfortschritte in Griechenland wird Ende Oktober, Anfang November | |
erwartet. Vorher kann es nach Angaben von Bundesfinanzminister Wolfgang | |
Schäuble (CDU) keine neuen Notkredite geben. „Die Bundeskanzlerin ist nicht | |
die Troika“, sagte er im Vorfeld in Luxemburg und dämpfte damit die | |
Erwartungen an den Besuch. | |
Der deutsch-griechische FDP-Politiker Jorgo Chatzimarkakis erhofft sich von | |
Merkels Reise wenigstens ein menschliches Signal an die von der Krise | |
zermürbten Hellenen. „Die Kanzlerin hat im Sommer davon gesprochen, dass | |
ihr 'Herz blutet', wenn sie etwa an die griechischen Rentner denkt“, sagte | |
der Europaparlamentarier der Nachrichtenagentur dapd. „Diese mitfühlende, | |
christliche Empathie ist in Griechenland gut angekommen und wäre auch das | |
absolut beste Signal für Ihre Reise.“ Samaras' instabile Regierung brauche | |
wiederum dringend Zuspruch aus dem Ausland, um in der Heimat anerkannt zu | |
werden. | |
Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), forderte derweil | |
Impulse für Wachstum und Beschäftigung in Griechenland. „Die Griechen | |
sparen inmitten einer schweren Wirtschaftskrise massiv, mit bitteren | |
sozialen Folgen und negativen Effekten für die Wirtschaft. Deshalb braucht | |
Athen jetzt zusätzlich zu den Reformen einen Impuls, um Wachstum und | |
Beschäftigung zu stimulieren und so aus der Schuldenspirale | |
herauszukommen“, sagte Schulz der Rheinischen Post (Dienstagausgabe). | |
## „Kürzungs- und Verarmungsprogramme“ | |
Mit Linken-Chef Bernd Riexinger wird auch ein deutscher | |
Oppositionspolitiker an den Protesten gegen den Merkel-Besuch teilnehmen. | |
Er warnte vor verheerenden Folgen weiterer Sparprogramme. Alle bisherigen | |
Hilfsprogramme seien mit Auflagen verbunden: die Renten und Löhne zu | |
senken, das Renteneintrittsalter zu erhöhen, den öffentlichen Sektor | |
abzubauen und öffentliches Eigentum zu verkaufen, sagte er am Dienstag im | |
ARD-Morgenmagazin. „Das ist keine Perspektive, die den Menschen wirklich | |
hilft.“ Denn letztlich seien dies „Kürzungs- und Verarmungsprogramme“. | |
Daher beteilige er sich an den Demonstrationen in Athen. | |
Der FDP-Vorsitzende im Europaparlament, Alexander Graf Lambsdorff, hält den | |
Zeitpunkt der Griechenland-Reise von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) | |
hingegen für ideal. Lambsdorff sagte dem Radiosender MDR Info, am Montag | |
hätten die Finanzminister den Euro-Stabilisierungsmechanismus ESM auf den | |
Weg gebracht. „Damit haben wir ein Instrument geschaffen, so eine Art | |
europäischen Währungsfonds, mit dem es gelingt, Krisen wie in Griechenland | |
auch hoffentlich in Zukunft zu bewältigen.“ | |
9 Oct 2012 | |
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Wolfgang Schäuble | |
Hitler | |
Schwerpunkt Angela Merkel | |
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