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# taz.de -- Kolumne Später: Kaputte blaue Regenmäntel
> Was ist die richtige Trostmusik in der Empty-Nest-Phase? Noch mal der
> frühe Leonard Cohen? Oder doch lieber Deichkind?
Bild: Deichkind, wenn das Kind auszieht?
Wenn das jüngste Kind gerade ausgezogen ist, braucht die zurückbleibende
Mutter Trost durch Musik. Die Frage ist nur: Welche Art von Musik? Nicht
jede will den ganzen Tag Herbert Grönemeyer hören.
Natürlich kann man einfach nur Alterswerken lauschen. Udo Lindenbergs
Totenklage „Stark wie zwei“ kenne ich fast auswendig. Doch schon das
Spätwerk „Olympia“ von Brian Ferry, das ich neulich zum Einschlummern
hörte, macht Probleme. „In a discotheque at dawn, I’d been raving through
the night, looking for some company“, säuselt der 64-jährige Barde. Das war
schon mal glaubwürdiger vor 30 Jahren, als Ferry mit verschwitzter
Haartolle in der Stirn und halboffenem Hemd das weibliche Publikum zur
Raserei brachte.
Ich erinnere mal: „I say go, she say yes, dim the lights, you can guess the
rest.“ Love is a drug. Vielleicht lieber keine Spätwerke, sondern einfach
die alten Songs von früher wieder hören? Zum Trost, dass sich die Dinge
doch nicht so doll verändern? Mein Gott, Wagner-Opern bleiben doch auch
aktuell.
Retro-CDs sind billig zu haben. Jethro Tull, Supertramp, Genesis. Beim
Kochen lege ich Genesis ein. „I know what I like and I like what I know“,
dramatischer Pop war das, Peter Gabriel stolzierte damals merkwürdig
behütet auf der Bühne herum. Das hysterische Teenie-Gefühl, sich für jemand
ganz Besonderen zu halten, stellt sich für einen Moment wieder ein, während
ich zum Song das Gemüse in der Wokpfanne rühre. Ich koche oft nur für mich,
seitdem die Kinder weg sind.
Doch die Wiederhörensfreude erlischt, als ich dem Genesis-Stück zum dritten
Mal lausche. „I know what I like, and I like what I know.“ Diese Dramatik.
Irgendwie auch wichtigtuerisch. Das Anhören von Supertramp verschiebe ich
auf später. Die Retro-CDs wandern kurz darauf ins Vergiss-mich-Regal.
Im Vergiss-mich-Regal lagern bereits diverse Alterswerke, „Heathen“ zum
Beispiel von David Bowie, dann noch ein Spätwerk von Debbie Harry alias
Blondie, in dem sie wieder zu „bodenständigem Rock“ zurückfinden wollte.
Mit Leonard Cohen versuche ich es dann noch mal. Die „Greatest Hits“ gab es
auf dem Discounttisch. Während einer Autofahrt mit Christoph an einem
grauen Herbstsonntag wage ich es. „It’s four in the morning, the end of
december“ hebt die Bassstimme an – man fühlt sich gleich auf eine
depressive Art zu Hause – und dann geht’s weiter: „The last time we saw y…
you looked so much older your famous blue raincoat was torn at the shoulder
…“ Der Song handelt von einem Frauenhelden, der etwas herunterkommt, den
berühmten frauenverführerischen Regenmantel an der Schulter eingerissen …
„Nee, also, das stellst du jetzt sofort ab“, sagt Christoph entsetzt, „du
hast dir Cohen doch nicht etwa neu gekauft?“ Habe ich. Aber nicht nur.
Kurz darauf wummert Deichkinds Electropunk aus den Lautsprechern. Eine
Empfehlung meines Sohnes David. Der fünfte Song gefällt mir. „Der Mond ist
tot, es gibt kein Leben. Ich will zurück, will wieder nach Haus, da wo
Menschen sind, wo es warm ist und vertraut.“
Dieser hämmernde HipHop-Beat ist nicht so mein Ding. Aber die Themen
wenigstens bleiben die gleichen in den Generationen. Das beruhigt dann
schon.
15 Oct 2012
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
Barbara Dribbusch
## TAGS
Leonard Cohen
Restaurant
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