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# taz.de -- Kolumne Später: Föhnwelle muss nicht mehr sein
> Was ist wichtiger für die Befreiung der Frau: Hillary Clintons
> Platthaarfrisur oder „Shades of Grey“? Beides! Sado-Maso-Sex und Friseure
> gehören zusammen.
Irgendwann, verkündete die Kollegin S., müsse sie mal reinlesen in das
Buch, „um up to date zu sein, auch frauenpolitisch“.
Wir drei Kolleginnen, S., A. und ich, fahren zusammen in der U-Bahn nach
Hause. Natürlich habe ich mich auch schon im Stillen geärgert, dass eine
bislang unbekannte Autorin mit nur drei Büchern zu Sado-Maso-Sex derzeit
Millionen verdient bei weiblichen Leserinnen. Wo wir Journalistinnen unser
täglich Brot mühsam erschreiben mit kleinteiligen Recherchen zur drohenden
Altersarmut der Frau und der Ungerechtigkeit des Ehegattensplittings. Hätte
man vielleicht auch selbst drauf kommen können, dass Millionen Frauen
lieber Texte lesen wie „ich atme schneller und spüre seine Erektion an
meinem Hinterteil“.
Ich hatte mir Tage zuvor den ersten Band von „Shades of Grey“ auf meinen
Kindle geladen, frisch geduschter Sado-Maso-Sex mit vielen Klischees, was
den Vorteil hat: Man braucht nur ein Viertel zu lesen, um über den Rest im
Bilde zu sein. „Ist doch ein Zeichen der Befreiung, dass jetzt auch Frauen
Pornos kaufen“, sagt Kollegin A., die das Buch offenbar auch kennt, „das
macht unabhängiger von den Männern. Ich meine, wenn von denen in realitas
nichts mehr kommt und so.“
Ich bin nicht ganz bei der Sache. Denn auf dem Bildschirm in der U-Bahn
taucht ein Bild von Hillary Clinton auf. Mit über 60 Jahren wieder platte
lange Haare tragen. Cool. Am nächsten Tag habe ich einen Friseurtermin.
Soll ich nicht doch lieber länger wachsen lassen?
„Sagt mal, wie findet ihr eigentlich Hillary Clintons Frisur?“, frage ich
in die Runde, „kann man sich im Alter wie sie einfach die Haare wieder
schulterlang wachsen lassen, ohne diese Hochföhnerei und Gelkneterei, damit
es nach mehr Volumen aussieht?“ Bei der Frau über 50 kommt es angeblich
darauf an, dass die altersbedingten Abwärtslinien im Gesicht durch die
bauschig geföhnte Frisur optisch neutralisiert werden.
Deswegen föhnt Angela Merkel jeden Morgen ihre dünnen Haare helmartig auf.
Clinton hingegen hat eingeräumt, dass ihr bei tagelangen UNO-Konferenzen
die Zeit zum Föhnen fehle. Seitdem trägt die US-Außenministerin die Haare
länger und platt, oft mit Pferdeschwanz. Toll.
A. wirft einen Blick auf den Bildschirm: „Früher war das total prolo, alte
Frauen mit platten langen Haaren und Pferdeschwanz. So liefen doch nur
Alkoholikerinnen in Neukölln herum. Ich finde das revolutionär, wenn das
jetzt auch die Oberschicht macht.“
„Nur in den USA. Von der Leyen und Merkel föhnen ja noch“, gebe ich zu
bedenken.
„Eine Föhnwelle wirkt schon jünger und dynamischer“, behauptet S.,
„deswegen hat sich von der Leyen die Haare abschneiden lassen, als sie 50
wurde.“
„Die Clinton ist auf dem Zenit der Macht angekommen, da brauchst du nicht
mehr zu föhnen“, sagt A.
„Vielleicht ist es ihr auch wurscht“, sage ich, „von wegen attraktiv und
sexy aussehen, da steht sie drüber.“
„Bei Bedarf kann sie ja ’Shades of Grey‘ herunterladen“, meint A., „d…
das Gute am Pornokonsum: Der ist frisurunabhängig für uns Frauen.“
Frisurunabhängig!
Morgen werde ich das Thema in Ruhe mit meinem Friseur diskutieren. Dann
entscheiden wir über den Schnitt.
19 Aug 2012
## AUTOREN
Barbara Dribbusch
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