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# taz.de -- Sparproteste in Portugal: „Massaker an den Familien“
> Portugal kürzt, dass es kracht. Nach zweijähriger Rezession sind viele
> Menschen aber des Sparens müde. Sie fordern den Rücktritt der Regierung.
Bild: Vielen Portugiesen reicht es. Protest in Lissabon.
MADRID/LISSABON taz/dpa | Die Portugiesen sollen weitere harte Einschnitte
hinnehmen. Der Haushalt, den die konservative Regierung unter Pedro Passos
Coelho zu Wochenbeginn vorlegte, sieht Steuererhöhungen von bisher nicht
gekanntem Ausmaß und Kürzungen aller Sozialleistungen vor.
Damit soll das Haushaltsdefizit 2013 auf die von der Troika aus
Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und dem
Internationalen Währungsfond (IWF) geforderten 4,5 Prozent gesenkt werden.
Die Steuererhöhungen und Kürzungen ersetzen den Plan der Regierung, per
Anhebung der Sozialabgaben um 7 Prozent allen Portugiesen einen Monatslohn
zu nehmen. Diesen Plan musste Passos Coelho nach Protesten Ende September
aufgeben.
Die neuen Maßnahmen der Regierung, die bis Ende des Monats vom Parlament
beschlossen werden sollen, sehen Einsparungen von 5,3 Milliarden Euro vor,
das entspricht 5,5 Prozent des portugiesischen BIP. 80 Prozent davon
stammen aus neuen Steuereinnahmen und 20 Prozent aus einem weiteren
Sparpaket.
Vor allem die Lohnsteuer wird reformiert. Statt bisher acht Stufen wird es
fünf Einkommensklassen geben. Zudem sollen alle Portugiesen eine
4-prozentige Zusatzsteuer zahlen. Wer mehr als 80.000 Euro brutto pro Jahr
verdient, kommt in die höchste Einkommensklasse, die bisher bei 153
Millionen Euro anfing, und zahlt weitere 2,5 Prozent.
## „Die schlimmsten Steuererhöhungen in der Geschichte“
Nach Berechnungen der Wirtschaftszeitung Jornal de Negócios verlieren die
meisten portugiesischen Beschäftigten einen Monatslohn. Außerdem steigen
Verbrauchsteuern wie die Tabaksteuer.Die Zeitung sprach von den
„schlimmsten Steuererhöhungen in der Geschichte der portugiesischen
Demokratie“
Auch die 16 Prozent Arbeitslosen werden zur Kasse gebeten. Sie verlieren 6
Prozent ihrer Stütze. Rentner mit mehr als 1.350 Euro pro Monat müssen
ebenfalls 3,5 Prozent Einbußen hinnehmen. Schwerbehinderte verlieren 5
Prozent ihrer Unterstützung. Doch damit nicht genug. Im Bildungsbereich
werden 6,5 Prozent eingespart und bei der Gesundheitsversorgung sind es
sogar 19,5 Prozent.
„Wir haben keinen Handlungsspielraum“, verteidigt Finanzminister Vitor
Gaspar die harten Einschnitte. Portugal zahlt mittlerweile mehr für die
Zinsen der Staatsschulden als für alle Beamten und öffentlichen
Angestellten zusammen. Kaum wurde der Haushaltsentwurf bekannt,
versammelten sich spontan Tausende von Menschen vor dem Parlament, um gegen
die „Liste der Grausamkeiten“ zu protestieren. Bei Zusammenstößen zwischen
der Polizei und Demonstranten gab es nach einer amtlichen Bilanz vom
Dienstag elf Verletzte, darunter zehn Beamte. Die Demonstranten bewarfen
die Polizisten mit Böllern und Äpfeln.
Die Grünen bezeichneten den von der Mitte-Rechts-Regierung im Parlament zur
Debatte vorgelegten Sparetat 2013 als „Massaker an den Familien“. Aber auch
Wirtschaftsexperten, Unternehmerverbände und sogar Politiker der
Regierungskoalition äußerten Kritik. Die Ängste der Bevölkerung seien
verständlich, „aber es gibt keinen Handlungsspielraum“, warnte
Finanzminister Vítor Gaspar. Er hatte schon vor der Vorstellung im
Parlament von „enormen Steuererhöhungen“ gesprochen, die aber zur
„gerechteren Verteilung der Sanierungslast“ führen würden.
Die größte Gewerkschaft CGTP bereitet gleich drei große Protestaktionen für
die kommenden Wochen vor. Für den 31. Oktober – den Tag der
Haushaltsdebatte im Parlament – ruft die CGTP zu einem Protestmarsch. Am
12. November soll die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel mit einer
Großdemonstration empfangen werden und zwei Tage später ruft die CGTP zum
dritten Generalstreik in den 16 Monaten der Regierung Passos Coelho. „Es
ist an der Zeit, mit dieser Regierung Schluss zu machen, bevor sie mit den
Menschen Schluss macht“, so CGTP.
16 Oct 2012
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Portugal
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