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# taz.de -- Direkte Demokratie in Berlin: Sozis kopieren Piraten
> Die SPD will Bürger in Berlin-Mitte per „Liquid Feedback“ abstimmen
> lassen. Widerstand kommt von den Piraten – die selbst damit arbeiten.
Bild: Demokratie, wie sie sich die Piraten vorstellen: Liquid Feedback.
BERLIN taz | Die SPD im Bezirk Mitte will die Abstimmungs-Software „Liquid
Feedback“ einführen. Am Donnerstag soll darüber die
Bezirksverordnetenversammlung (BVV) befinden. Aber es gibt Widerstand – von
den Hauptnutzern des Internet-Tools, den Piraten.
Von einem „superspannenden Projekt“ schwärmt Thorsten Lüthke, SPD-Mann und
Antragsinitiator. Stimmt die BVV dafür, sollen vorerst Anwohner um die
Moabiter Turmstraße über ihre Kiezentwicklung via Internet mitbestimmen –
etwa über Parkgestaltung oder Kulturförderung.
In einem zweiten Schritt könne auch der Wedding einbezogen werden, so
Lüthke. Abgestimmt werden soll über die „Liquid Feedback“-Software – die
auch die Piraten für die parteiinterne Meinungsbildung nutzen.
„Wir müssen mehr Bürger erreichen, die bei Entscheidungen bisher außen vor
bleiben“, begründet Lüthke die SPD-Initiative. „Die, die viel unterwegs,
viel im Internet aktiv sind.“ In vier Monaten könnte das „Pilotprojekt“
starten. Teilnehmen dürften alle Anwohner, die ihre Hauptwohnung in Moabit
haben.
Sie erhielten nach einer Registrierung im Internet ihre Zugangsdaten per
Post zugeschickt. Finanziert werden soll das Projekt mit Fördergeldern, die
der Stadtteil als Sanierungsgebiet erhalte, so Lüthke. Eine Evaluation
solle später klären, ob das Portal auf weitere Stadtteile ausgedehnt werden
könne.
## Streit um Pseudonyme
Der Antrag kann mit einer Mehrheit rechnen, auch von der koalierenden CDU
kommt Zustimmung. „Sehr, sehr aufgeschlossen“ sei man, sagt
CDU-Fraktionschef Thorsten Reschke. Liquid Feedback sei kein
„Allheilmittel“, aber eine „tolle Erweiterung“, die auch Projektplanern
Sicherheit gebe. Auch Bürgermeister Christian Hanke (SPD) spricht von einem
„spannendem“ Projekt. Er unterstütze die Idee, „mit moderner Software
lobbyresistente, webbasierte Beteiligungsprozesse zu erproben“.
Skepsis herrscht ausgerechnet bei den Originalverwendern, den Piraten. Der
Vorstoß an sich sei „äußerst begrüßenswert“, sagt Christopher Lang, Ch…
der vierköpfigen Fraktion. Es gebe in der Partei aber Bedenken darüber,
dass die Moabiter mit Klarnamen abstimmen sollen. Der Streit spaltet schon
länger die Piraten. Die Verfechter hoffen, mit den echten Namen eine
Manipulation der Voten auszuschließen.
Ihre Gegner setzen auf Pseudonyme: Nur so sei ungehinderte
Meinungsfreiheit, etwa für Beamte, zu garantieren. Seine Partei werde am
Donnerstag einen Änderungsantrag für die Pseudonyme einbringen, kündigt
Lang an. Er werde in einer Rede für diesen plädieren, ein anderer Pirat
aber für den SPD-Antrag: Einen Fraktionszwang, betont Lang, gebe es für
seine Partei ja nicht.
SPD-Mann Lüthke versucht zu schlichten: Im Wedding könne das Projekt ja mit
Pseudonymen laufen und dann mit Moabit verglichen werden. Dass die SPD mit
ihrem Antrag versuche, den Piraten die Show zu stehlen, weist Lüthke
zurück: Die Software habe sich eben schon bewährt. Lüthke selbst wurde
einst von einer Piratin in das Online-Tool eingeführt. Christopher Lang
gibt sich locker. „Ist doch völlig egal, wer’s einbringt. Hauptsache, es
wird gemacht.“ Im Übrigen sei die Idee zuerst von den Piraten im Ausschuss
für Transparenz und Bürgerbeteiligung vorgebracht worden.
Im Abgeordnetenhaus blicken die Piraten dennoch bang nach Mitte. Es wäre
„ärgerlich“, so ein Abgeordneter, wenn ausgerechnet die eigene Fraktion den
„größten politischen Erfolg“ ablehnte. Auch Fraktionär Fabio Reinhardt l…
den SPD-Vorstoß. Die Partei müsse aber beantworten, worüber die Bürger bei
den zusammengekürzten Bezirkshaushalten überhaut noch abstimmen könnten und
wie verbindlich dies sei, so Reinhardt. „Sonst wird das eine Farce.“
24 Oct 2012
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Piraten
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