# taz.de -- Mitmachen I: Blumenkübel und Brücken | |
> Die Lichtenberger können online mitentscheiden - aber kaum jemand will. | |
Bild: Berlin ist beim Liquid Feedback Berliner Vorreiter. | |
Bei der Online-Bürgerbeteiligung ist der Bezirk Lichtenberg klarer | |
Vorreiter. Während die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Mitte am | |
heutigen Donnerstag über die Einführung der Abstimmungssoftware Liquid | |
Feedback entscheidet, konnten die Lichtenberger bereits über den | |
Bezirkshaushalt des Jahres 2007 online mitbestimmen. Dort ist die | |
Onlinedebatte eine Bereicherung, meint Ernst-Ulrich Reich, der in der | |
Bezirksverwaltung das Projekt betreut: „Auf diesem Weg fällt die Diskussion | |
offenbar leichter.“ Während bei den Bürgerversammlungen die Zeit begrenzt | |
sei und es vielen Bürgern nicht so leichtfalle, dort in großer Runde für | |
oder gegen einen Vorschlag zu argumentieren, sinke im Internet die | |
Hemmschwelle. | |
Insgesamt beteiligt sich jedoch nach wie vor nur eine kleine Zahl von | |
Bürgern. Für den Haushalt 2013 reichten von den gut 266.000 Einwohnern nur | |
177 einen Vorschlag online ein. Zu den 16 Bürgerversammlungen in den Kiezen | |
kamen 569 Teilnehmer. Macht eine Beteiligung von weniger als einem halben | |
Prozent der Einwohner. | |
Reich pfeift auf diese Prozentrechnungen. Er sieht es andersherum: Ohne | |
Bürgerbeteiligung könnte schließlich niemand mitmachen. „Jeder Bürger, der | |
sich beteiligt, ist etwas Positives“, sagt er. Und womöglich würden die | |
Zahlen auch zeigen, dass das Bedürfnis nach Veränderung nicht so groß ist. | |
Reich: „Vielleicht geht es uns gar nicht so schlecht.“ | |
Die Bürgerbeteiligung in Lichtenberg ist unverbindlich; das letzte Wort hat | |
das Bezirksparlament. Was die Bürger hauptsächlich verlangen: mehr Radwege, | |
die Absenkung der Bordsteine an Kreuzungen für Rollstühle und Kinderwagen, | |
zusätzliche Grillplätze, mehr Parkbänke, mehr Mülleimer. Der Bezirk | |
veröffentlicht, was aus den Vorschlägen geworden ist. | |
Grünes Licht gab es zum Beispiel für den Vorschlag mit der Nummer 13-6-1: | |
„Aufstellung von Pflanzkübeln mit immergrünen Pflanzen auf dem | |
Anton-Saefkow-Platz“. Das Bezirksamt berechnete, dass ein Kübel etwa 1.000 | |
Euro kostet. Inzwischen wachsen dort Pflanzen. | |
Keinen Erfolg hatte dagegen ein Anwohner mit seiner Forderung nach einer | |
Fußgängerbrücke: „Die Frankfurter Allee ist eine Stadtautobahn, wo man nur | |
schwer rüberkommt; es gibt Ampeln, aber in der dunklen Jahreszeit bleibt | |
ein Restrisiko.“ Die Ampel auf Höhe der Egon-Erwin-Kisch-Bibliothek solle | |
daher durch eine „schlanke, elegante Betonbrücke“ ergänzt werden. Der | |
Bezirk lehnte das ab: Die Ampel genüge, eine Brücke koste mehr als 1 | |
Million Euro und sei zudem nicht barrierefrei. | |
24 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Heiser | |
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