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# taz.de -- Gemeinwohl: "Dann gehn die nicht mehr raus"
> Eine Seniorenbegegnungsstätte in Wedding wird abgerissen, adäquater
> Ersatz ist nicht in Sicht. Eine Gruppe um die Nutzerin Elke Schilling
> will kämpfen.
Bild: Vorbild: SeniorInnenprotest in der Stillen Straße.
taz: Frau Schilling, der Seniorenbegegnungsstätte in der Weddinger
Schulstraße droht der Abriss. Warum nehmen Sie sich nicht ein Beispiel an
den Pankowern aus der Stillen Straße? Besetzen Sie das Haus!
Elke Schilling: Unser Haus ist kein normaler Altbau wie der in Pankow. Die
Wände sind mit Asbest verseucht, das hat 2011 ein Baugutachten ergeben.
Momentan nutzen wir die Begegnungsstätte noch. Auf Dauer macht es aber
keinen Sinn, dort zu bleiben. Wir warten immer noch darauf, dass uns der
Bezirk einen vernünftigen Ersatz anbietet.
Wie viele SeniorInnen sind von der Schließung betroffen?
Die Begegnungsstätte in der Schulstraße hat 17.000 BesucherInnen pro Jahr.
20 Prozent haben Migrationshintergrund, ein großer Teil ist über 80 Jahre
alt. Und diese BesucherInnen sollen jetzt aufgeteilt werden.
Wo sollen sie hin?
Ein Teil soll sich anderthalb Kilometer weiter im Sprengel-Haus treffen, da
gibt es ein paar leer stehende Räume. Aber das reicht nicht für alle.
Unsere BesucherInnen ab 80 Jahren sollen deshalb die Gesellschaftsräume
eines Altersheims in der Nähe nutzen. Aber Menschen, die stolz darauf sind,
in diesem Alter autonom zu leben, möchten auch dafür kein Heim nutzen! Da
treffen zwei völlig unterschiedliche Lebensphilosophien aufeinander. Jetzt
sagt das Bezirksamt: Wenn Sie diese Alternativen nicht wollen, haben wir
nichts für Sie.
Und was machen Sie?
Der Sozialausschuss steht hinter uns. Mit ihm haben wir vereinbart, dass
das Gebäude in der Schulstraße erst geschlossen wird, wenn wir einen für
alle akzeptablen Ersatz gefunden haben. Deshalb haben wir ein
Diskussionsforum mit den SeniorInnen, den Bezirksstadträten für Soziales
und Facility Management und dem Sozialausschuss organisiert. Wir waren mehr
als 120 Leute.
Was kam dabei heraus?
Wir haben uns darauf geeinigt, die Begegnungsstätte im Haus Bottrop an der
Gerichtstraße mitzunutzen, dort gibt es noch Kapazitäten. Das Gebäude ist
allerdings 40 Jahre alt und wurde seit 20 Jahren nicht mehr saniert. Der
Bezirk kann sich das auch nicht leisten.
Also auch keine langfristige Alternative.
Doch – wenn wir uns selbst um die Sanierung kümmern. Dazu müssten wir aber
Eigentümer sein. Dann könnten wir das nötige Geld für die Sanierung mit
Sozialkrediten und Sponsoring auftreiben. Der Bezirk hat uns bereits
angeboten, das Haus in Erbpacht zu übernehmen.
Was würde das kosten?
Viel zu viel. Allein in das Wertgutachten müsste man 2.000 Euro
investieren. Nicht mal das kann sich der Träger, die Selbst-Hilfe im
Vor-Ruhestand e. V., leisten. Deshalb haben wir eine Petition gestartet:
Darin fordern wir vom Regierenden Bürgermeister und dem Abgeordnetenhaus,
allen gemeinnützigen Organisationen gemeinnützige Gebäude zum symbolischen
Preis von einem Euro zu verkaufen. Denn die Begegnungsstätten in Mitte sind
kein Einzelfall.
Welche Einrichtungen sind noch bedroht?
Etwa der Schulgarten in Moabit. Der Bezirk ist klamm und spart, wo er am
wenigsten Widerstand erwartet: bei den Jungen und insbesondere den Alten.
Was befürchten Sie, wenn Jugend- und Seniorentreffs geschlossen werden?
Wenn man die Alten nach Hause schickt, dann gehen die nicht mehr raus. Beim
Krisentelefondienst hatte ich vor kurzem einen 85-Jährigen am Telefon, der
hat mir erzählt, eigentlich wisse er gar nicht mehr, wofür er lebe. Die
Reihen um ihn haben sich gelichtet, er ist allein. Solche Einsamkeit dürfen
wir nicht zulassen.
24 Oct 2012
## AUTOREN
Julia Maria Amberger
Julia Amberger
## TAGS
Intelligenz
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