# taz.de -- Soziale Frage im US-Wahlkampf: Wahl zwischen zwei Visionen | |
> Demokraten und Republikaner unterscheiden sich zwar im Verständnis von | |
> gesellschaftlichem Miteinander – Dennoch werden Wirtschaftsfragen die | |
> Wahl entscheiden. | |
Bild: Soll der Staat eingreifen? – Republikaner und Demokraten sind da unters… | |
Welche Verteilung der nationalen Resourcen ist gerecht? Ist etwas falsch | |
daran, wenn ein kleiner Prozentsatz der Menschen einen großen Prozentsatz | |
der nationalen Resourcen kontrolliert? Kann man einen Staat „gerecht“ | |
nennen, der nichts gegen diese ungleiche Verteilung tut? | |
Diese Fragen bilden die Kulisse dessen, was die demokratische Partei unter | |
den Zielen einer guten Regierung versteht. Sie sind das Herz des Angriffs | |
von Präsident Obama auf Mitt Romney, dem er vorwirft, reiche Bürger über | |
die Armen und die amerikanische Mittelschicht zu stellen. | |
Für Demokraten ist die Regierung ein egalitäres moralisches Projekt. Der | |
Ansatz der Republikaner hingegen ist es, das moralische Bestreben ganz dem | |
Einzelnen und den Kirchen zu überlassen. Die Partei von Romney und Ryan ist | |
der Ansicht, dass die Regierung ausschließlich die jetzige Verteilung des | |
Eigentums gewährleisten soll. | |
Demokraten akzeptieren den Kapitalismus zwar, sie nehmen ihn an, aber | |
trotzdem wenden sie ein, dass die vorrangige Rolle der Regierung sein | |
sollte, das Ausmaß des Kapitalismus sowohl auf individueller als auch auf | |
gesellschaftlicher Ebene einzudämmen. Wohlhabende Bürger stärker zu | |
besteuern, soll sicherstellen, dass die wirtschaftliche Ungleichheit | |
zumindest das Wohlbefinden derjenigen steigert, denen es am schlechtesten | |
geht. | |
## Staat als Resultat eines Gesellschaftsvertrags | |
Die Vorstellung der Demokraten von Staatsgewalt und Verantwortung leitet | |
sich von der philosophischen Tradition ab, die den Staat als Resultat eines | |
Gesellschaftsvertrags sieht. Diese Tradition besagt, dass es einen | |
Naturzustand gibt, in dem der Einzelne bestimmte angeborene Rechte hat und | |
auch die Macht, diese durchzusetzen. | |
Weil dieser Zustand höchst unsicher und unproduktiv ist, wird der Einzelne | |
dazu ermutigt, diesen natürlichen Zustand zu verlassen, sich mit anderen | |
zusammenzuschließen und gemeinsam einen Staat zu formen. Man gibt also die | |
Macht ab, seine naturgegebenen Rechte weiter durchzusetzen, indem man sich | |
bereit erklärt, sich an öffentliche Regeln und Gesetze zu halten. | |
Es gibt zwei Hauptzweige dieser Theorie vom Gesellschaftsvertrag. Sie sind | |
in der Frage gespalten, ob es ein legitimes Recht auf Privateigentum vor | |
dem Schließen des Vertrages gibt. Wenn ja, dann dient der | |
Gesellschaftsvertrag dazu, die Interessen wohlhabender Einzelner zu | |
verfestigen. | |
Ihr Recht auf Privatbesitz ist absolut, weil dieses Recht auf einer Ebene | |
mit dem Recht auf persönliche Freiheit zu sehen ist. Eine Regierung, die | |
unter dieser Prämisse konzipiert ist, hat nicht das Recht, den Reichtum im | |
Namen sozialer Gerechtigkeit umzuverteilen. In diesem Fall ist der Vertrag | |
dazu da, den individuellen Interessen zu dienen – und sonst keinen. | |
## Solidarität mit den Mitmenschen | |
Der zweite Ableger dieser Theorie hingegen hält fest, dass es keinen von | |
der Gesellschaft unabhängigen Anspruch auf ungleiche Besitzverteilung gibt. | |
Es gibt keine Möglichkeit, das Netz der gegenseitigen Abhängigkeit zu | |
verlassen. Die Theoretiker dieser Auslegung glauben zudem, dass das | |
Eintreten in den Vertrag eine moralisches Gerechtigkeitsempfinden mit sich | |
bringt, das sich aus der Solidarität mit den Mitmenschen ergibt. | |
Innerhalb des Vertrags sind alle gleich und jeder hat das Interesse, einen | |
gerechten Staat zu errichten. Gesetze und Institutionen müssen so gestaltet | |
sein, dass sie für jeden akzeptabel sind, ganz egal, wie arm oder reich, | |
wie talentiert oder untalentiert er oder sie ist. | |
Das bedeutet nicht nur die Schaffung eines sozialen Sicherheitsnetzes, | |
sondern auch, dass dafür Sorge getragen wird, dass auch diejenigen mit | |
weniger Geld und Talent die gleichen Möglichkeiten haben, ihre | |
Lebensumstände zu verbessern. | |
Um nun von der Theorie zur Realität der Wahlen zu kommen: Für die | |
ausschlaggebende Gruppe der Wähler aus der amerikanischen Mittelschicht ist | |
die entscheidende Frage, wem sie das Vertrauen entgegenbringen, ihre | |
Bedürfnisse bezahlbar und ihre Zukunft erfolgversprechend zu machen. | |
Eine Wahl, die viele Kommentatoren als eine Wahl zwischen zwei Visionen von | |
Staat und Regierung sehen, wird sich höchstwahrscheinlich ganz einfach an | |
der Frage entscheiden, wer der bessere Steuermann für die Wirtschaft im | |
Land sein wird. Wenn es Obama nicht gelingt, die Wähler davon zu | |
überzeugen, dass Gleichheit und wirtschaftliches Wachstum Hand in Hand | |
gehen, werden sie sich vielleicht für Romney entscheiden – in der | |
vergeblichen Hoffnung, dass das, was gut für das Geschäft und die Reichen | |
ist, gut für jedermann ist. | |
26 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Dean Moyar | |
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