Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Rundfunkräte und Journalismus: Journalistische Heuchelei
> Der Anruf des CSU-Sprechers beim BR ist kein Einzelfall. Und wer
> PolitikerInnen aus Rundfunkräten verbannen will, muss Alternativen
> nennen.
Mal wieder ist große Aufregung in der Welt der JournalistInnen. Weil
Sprecher von CSU-Politikern tatsächlich versucht haben, durch Anrufe in
Redaktionen Einfluss auf die Berichterstattung zu nehmen. Und das nicht in
irgendwelchen Redaktionen, sondern mit dem ZDF und dem Bayerischen Rundfunk
in öffentlich-rechtlichen Medienanstalten mit dem verfassten Auftrag, als
vierte Gewalt im Staate das Treiben der Politiker zu überwachen.
Liest man nun manche Einlassungen könnte der Eindruck entstehen, als würde
so etwas, also der Anruf eines Parteisprechers oder gar eines Politikers
selbst, in anderen Redaktionen nie vorkommen. (Na ja, die BILD, oder besser
deren Chef-Mailbox, mal ausgenommen.) Das ist pure Heuchelei.
Natürlich sprechen PolitikerInnen mit JournalistInnen, natürlich beschweren
sich SprecherInnen über eine Berichterstattung, und natürlich versuchen
auch in privatwirtschaftlich organisierten Medienhäusern, Menschen
politischen Einfluss zu nehmen. Die Frage ist immer, wie weit sie damit
kommen, und wann die Redaktion, letztlich jeder einzelne Journalist, seine
Unabhängigkeit aufgibt. Dazu eine grundsätzliche Frage: Was macht das mit
einem, wenn man immer der erste ist, zu dem bestimmte Studien
durchgestochen werden oder bestimmte Informationen aus Hintergründen
zugesteckt werden?
Bringt das nicht zwangsläufig mit sich, was durchaus intendiert sein
dürfte, dass man mit seinem Informanten etwas pfleglicher umgeht, um die
Quelle nicht zum versiegen zu bringen (siehe wieder die BILD und ihr Umgang
mit Peer Steinbrück)? Richtig ist, dass die Situation in den
Rundfunkgremien eine besondere ist. Hier bestimmen eben jene über die
Besetzung richtungsweisender Chefposten, die von der Berichterstattung
unmittelbar betroffen sind: Nämlich die PolitikerInnen selbst. Aber wer
jetzt nach einer radikalen Veränderung dieser Konstellation ruft, sollte
erstmal eine demokratischere Variante vorschlagen.
Denn wer, wenn nicht die gewählten VolksvertreterInnen unterschiedlicher
Parteien, sollte die Interessen des Volkes vertreten? Nur noch Gesandte der
Kirchen, der Wirtschaft, der Hochschulen, der Sportvereine, der
Gewerkschaften? Personen also, die keine demokratisch herbeigeführte
Legitimation haben, sondern von mehr oder weniger kleinen Splittergruppen
der Gesellschaft eingesetzt wurden? Wer denkt, dass hier keine
individuellen Interessen verfolgt werden könnten, demontiert die eigene
Ernsthaftigkeit gleich mit.
Der Fall Nikolaus Brender, der als zu „beeinflussungsresistent" vom
ZDF-Chefsessel gekegelt wurde, lehrt uns zudem, dass eben nur amtierende
PolitikerInnen, die auch in die Verantwortung genommen werden können, in
diesem Gremium sitzen sollten. Und nicht wie bei Brender auch ehemalige
Ministerpräsidenten wie Edmund Stoiber, die nicht mal mehr einen liberalen
Ruf zu verlieren haben.
Ja, es ist natürlich absolut verwerflich, wenn Politiker oder deren
Personal, Medien drohen. Aber es ist auch mindestens unglaubwürdig, wenn
nun JournalistInnen ein aseptisches Verhältnis zur politischen Klasse
heraufbeschwören, das mit der Realität nichts zu tun hat.
30 Oct 2012
## AUTOREN
Ines Pohl
Ines Pohl
## TAGS
Medien
Journalist
ZDF
Rundfunkrat
Schwerpunkt Korruption
CSU
ZDF
ZDF
ZDF
## ARTIKEL ZUM THEMA
Einfluss bei den Öffentlich-Rechtlichen: Behinderte bald auf Sendung
Der Rundfunkrat des Rundfunks Berlin Brandenburg könnte bald vergrößert
werden. Dann hätten Behinderte endlich einen Platz darin.
Auch ÖVP versucht TV zu beeinflussen: Handschellen rausgeschnitten
Nicht nur in Bayern, auch in Österreich versuchen Politiker, bei
Öffentlich-Rechtlichen inhaltlich zu intervenieren. Selbst vor
Satiresendungen machen sie nicht halt.
Parteieinfluss in den Medien: Ruf! Uns! An!
Ring-Ring. Die CSU kümmert sich um das ZDF. Wann kriegen wir Anweisungen
zur Berichterstattung? Unsere Leitungen sind offen.
Politiker im Rundfunkrat: Beck klagt in Karlsruhe
Das Bundesverfassungsgericht muss entscheiden, ob die Politik zu viel
Einfluss hat. Kläger Kurt Beck will Parteieinfluss zurückdrängen - ein
bisschen.
Kommentar Rundfunkgremien: Politiker raus
Anrufe bei Senderverantwortlichen sind nur die Spitze des Eisbergs. Die
Einflußnahme über die Rundfunkräte muss beendet werden.
Politische Einflußnahme auf Medien: Die unheimlichen Mainzelmacher
Der Skandal um die CSU-Intervention beim ZDF? Schlimm genug. Schlimmer:
Politiker kontrollieren in Rundfunkgremien diejenigen, die sie
kontrollieren sollen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.