# taz.de -- Nahverkehr: Die Grenzen des Pendelns | |
> Eine Internetplattform bietet spezielle Mitfahr-Plattformen für Pendler | |
> in Großstädten an. Das Interesse potenzieller Nutzer hält sich in Berlin | |
> bislang in Grenzen. | |
Bild: Wie viele Fahrgemeinschaften sind auf diesem Bild zu sehen? | |
Die Idee ist nicht neu: Menschen verabreden sich zu einer Fahrgemeinschaft | |
und zuckeln wenig später gemeinsam durchs Land. Mitfahrportale im Internet | |
funktionieren bei Gruppenkarten der Bahn, vor allem aber bei Autofahrten | |
zwischen Großstädten. Rund 650.000 Angebote hält nach eigenen Angaben die | |
Plattform [1][mitfahrgelegenheit.de] jederzeit bereit. Seit einigen Monaten | |
bietet die Seite auch spezielle Portale für Ballungsräume in Deutschland – | |
darunter der Großraum Berlin-Brandenburg. Das Interesse daran ist bisher | |
allerdings mäßig. | |
Von einer „einfachen und gut funktionierenden Lösung“ für die städtische | |
Mobilität spricht das Münchener Unternehmen carpooling, das die Seite | |
[2][mitfahrgelegenheit.de] und das Portal für Berlin-Brandenburg anbietet. | |
Seit Juni lassen sich Fahrten hier adressgenau suchen. Freilich wirkt die | |
Maske noch etwas umständlich. Rein innerstädtische Mitfahrgelegenheiten | |
werden erst angezeigt, wenn man eine Fahrt von „Berlin“ nach „Berlin“ | |
eingibt. | |
Für den 31. Oktober sind am Vortag über 50 Fahrten im Angebot, darunter das | |
Inserat von Christian Witt, der fast täglich zwischen seinem Wohnort in | |
Köpenick und seinem Arbeitsplatz am Hackeschen Markt pendelt. „Ich nutze | |
bereits seit 25 Jahren Mitfahrgelegenheiten“, sagt der 44-Jährige. „Früher | |
als Mitfahrer, jetzt vor allem als Fahrer.“ Doch für sein innerstädtisches | |
Inserat, dass er bereits seit einem Dreivierteljahr anbietet, hat Witt bis | |
heute noch keine Interessenten gefunden. „Vielleicht ist das Ganze bisher | |
zu wenig bekannt“, mutmaßt er. | |
## Ein Zusatzangebot | |
Es sei richtig, dass das Portal bisher nur wenig genutzt werde, sagt Simon | |
Baumann, Sprecher von carpooling. „Die Vermittlungswahrscheinlichkeit ist | |
bei Kurzstrecken geringer als bei Langstrecken.“ Die Firma verdient vor | |
allem durch die Langstrecken. Einerseits durch Anzeigen, die auf der Seite | |
geschaltet werden, andererseits über das Buchungssystem. Dieses lohnt sich | |
für kurze Strecken in der Stadt kaum. „Die Bezahlung läuft direkt und nicht | |
über die Plattform“, erklärt Baumann. Deshalb seien die Portale für | |
Ballungsräume derzeit nicht primär auf Gewinn ausgerichtet, sondern als | |
„Zusatzangebot“ gedacht. | |
Gerade in einer Großstadt wie Berlin stellt sich die Frage, wie notwendig | |
ein solches Portal ist. „Ich fahre selber oft S-Bahn, weil die Fahrt mit | |
dem Auto nur 10 Minuten schneller ist“, sagt Pendler Christian Witt. Daniel | |
Hecker bietet seit rund einem Jahr auf dem Portal die Strecke von | |
Schulzendorf bei Grünau in die Bessemerstraße nahe dem Südkreuz an. „Ich | |
finde, es macht wenig Sinn, wenn Leute alleine in ihren Autos sitzen“, sagt | |
Hecker. Zwei Euro will er für die einzelne Strecke haben, für regelmäßige | |
Mitfahrer 8 Euro pro Woche. „Das wäre eine gute Unterstützung bei den | |
Fahrtkosten“. Doch auch Hecker hat bis heute noch keine Interessenten | |
gefunden – und steigt stattdessen auf die Bahn um. | |
Grundsätzlich sei es gut, wenn Leute sich zu Fahrgemeinschaften | |
zusammenfinden, sagt Dorothee Saar, Leiterin der Abteilung Verkehr und | |
Luftreinhaltung bei der Deutschen Umwelthilfe. „In Berlin mit seinem gut | |
ausgebauten Nahverkehr macht so ein Portal eher wenig Sinn.“ Anders sehe es | |
in ländlichen Gebieten aus, wo das Nahverkehrsangebot beschränkt ist, | |
findet Saar. Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG reagieren nicht nur | |
gelassen, sondern sogar aufgeschlossen. "Autos sind grundsätzlich nicht | |
böse - in Fahrgemeinschaften können sie vernünftig sein", sagte | |
BVG-Sprecherin Petra Reetz zur taz. "Man muss die Mobilität der Zukunft in | |
einem vernünftigen Mix sehen - und da gehören solche Mitfahrportale auch | |
dazu". | |
Wie viele Leute genau das Berliner Portal bislang genutzt haben, kann er | |
nicht sagen. „Es dürften aber mehrere tausend gewesen sein", sag | |
carpooling-Sprecher Simon Baumann. | |
30 Oct 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://mitfahrgelegenheit.de | |
[2] http://mitfahrgelegenheit.de | |
## AUTOREN | |
Johannes Kulms | |
## TAGS | |
Mitfahrzentrale | |
Pendler | |
Bus | |
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