Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Öffentlicher Nahverkehr: Verfahrene Situation
> Rund tausend BerlinerInnen sitzen derzeit wegen Schwarzfahrens im
> Gefängnis. Die Piraten luden zur Diskussion, wie das künftig verhindert
> werden könnte.
Bild: Zum Ärger der Piraten braucht man derzeit im öffentlichen Nahverkehr no…
Der Preis für einen Einzelfahrschein der BVG ist eindeutig: 2,40 Euro. Die
Kosten des Schwarzfahrens sind hingegen schwerer zu beziffern. Für den
Einzelnen ist es umsonst, solange er nicht erwischt wird. Für die
Allgemeinheit liegen die Kosten schon eher im sechsstelligen Bereich.
Genau das wollen die Berliner Piraten ändern: Die Kosten, um Schwarzfahrer
zu verfolgen, seien zu hoch und Gefängnisstrafen dafür unverhältnismäßig,
argumentieren sie. Im Berliner Wahlkampf 2011 warb die Par- tei bereits
damit, kostenlosen Nahverkehr einführen und die rund 202.000 Schwarzfahrer
pro Jahr nicht weiter verfolgen zu wollen.
Jetzt hat die Piratenfraktion immerhin einen entsprechenden Antrag
ausgearbeitet und lud am Montagabend zur Diskussion „Kein Knast für
Schwarzfahrer“. Ziel des Antrags ist eine Bundesratsinitiative, die den
Paragrafen 265a aus dem Strafgesetzbuch streicht. Damit wäre die
„Beförderungserschleichung“, also das Schwarzfahren, keine Straftat mehr.
Bislang ist es so: Wer beim Schwarzfahren erwischt wird, muss ein erhöhtes
Beförderungsentgelt von 40 Euro zahlen. Wer nicht zahlt und dreimal
erwischt wird, muss damit rechnen, dass die BVG Anzeige erstattet. Wenn der
Angeklagte dann immer noch nicht bezahlt, kann er im Gefängnis landen.
Nach Angaben der Senatsjustizverwaltung verbüßten 2011 etwa 1.300
Strafgefangene eine derartige Ersatzfreiheitsstrafe, der Großteil unter
ihnen wahrscheinlich wegen Schwarzfahrerei. Die Gefängniskosten belaufen
sich je nach Berechnung auf 100 bis 116 Euro pro Tag, dazu kommen Gerichts-
und Verwaltungskosten.
Zur Diskussion ins Abgeordnetenhaus kamen etwa 40 Interessierte, viele
davon mit der BVG, unter ihnen auch etliche Piratenanhänger. Da drei der
vier Teilnehmer auf dem Podium Juristen waren, brach schnell eine
rechtspolitische Auseinandersetzung mit klarer Rollenverteilung los: Simon
Weiss, rechtspolitischer Sprecher der Piraten, warb für den Vorstoß seiner
Partei. Er verwies auf die hohen Kosten der Gerichte und der Haftanstalten
und stellte die Abschreckungsstrategie der Verkehrsbetriebe in Frage: „Die
40 Euro Strafgeld genügen doch als Abschreckung.“
Olaf Heischel, Vorsitzender des Vollzugsbeirats, der sich für die Rechte
von Strafgefangenen einsetzt, thematisierte die Situation der
Schwarzfahrer: Im Gefängnis würden nur die „Unterprivilegierten“ landen,
die unter Alkohol-, und Drogenproblemen leiden, sagte Heischel. Er lehne
Gefängnisstrafen für diese Personen auch ab, weil sie aus Hilfsprogrammen
etwa zum Drogenentzug herausgerissen würden.
Ähnlich argumentierte Richter Ulf Buermeier vom Berliner Landgericht: „Bei
den meisten Schwarzfahrer-Akten ist auf den ersten Blick klar, dass die
Leute keinen Cent übrig haben. Ich finde es absurd, dass wir mit dem
Strafrecht versuchen, sie zum Zahlen zu bringen, obwohl wir wissen, dass es
nicht geht.“ Besser wäre es, so Buermeier, sich ein Modell ähnlich wie das
Sozialticket zu überlegen, damit die Leute trotzdem öffentliche
Verkehrsmittel nutzen können.
Den härtesten Job in der Runde hatte Thomas Hilpert vom Verband Deutscher
Verkehrsunternehmer. Er verteidigte Fahrscheinkontrollen und das Vorgehen
gegen die Schwarzfahrer: „Wir können nicht allen, die kein Geld haben,
einen Freifahrschein geben.“
Offen blieb in der Diskussion, wie die Piraten eine Mehrheit für ihr
Vorhaben im Abgeordnetenhaus oder sogar im Bundesrat organisieren wollen –
SPD und CDU lehnen den Antrag ab.
18 Sep 2012
## AUTOREN
Laurence Thio
## TAGS
Fahren ohne Fahrschein
## ARTIKEL ZUM THEMA
Bremen diskutiert geringeres Strafmaß: Schwarzfahrt in den Knast
Die Linke will, dass Schwarzfahren nur noch eine Ordnungswidrigkeit ist.
Wenigen Menschen hilft die Inhaftierung allerdings.
Fahrpläne werden transparenter: Busse und Bahnen fahren jetzt app
Der Verkehrsverbund veröffentlicht erstmals seine Datenbank mit allen Bus-
und Bahnverbindungen. Jetzt beginnen Programmierer damit, neue Apps und
Webseiten zu entwickeln
Nahverkehr: Die Grenzen des Pendelns
Eine Internetplattform bietet spezielle Mitfahr-Plattformen für Pendler in
Großstädten an. Das Interesse potenzieller Nutzer hält sich in Berlin
bislang in Grenzen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.