# taz.de -- Gründer über islamische Mitfahrzentrale: "Wir schützen Ehen" | |
> Selim Reid hat eine muslimische Mitfahrgelegenheit gegründet. Damit seine | |
> Mutter nicht mehr angepöbelt wird und es weniger Seitensprünge gibt. | |
Bild: An diesem Zeichen sollt ihr die Taxis erkennen. | |
taz: Herr Reid, Sie haben im Dezember die islamische Mitfahrgelegenheit | |
gegründet. Wie ist die Idee zum [1]["Muslim-Taxi"] entstanden? | |
Selim Reid: Viele muslimische Schwestern wie auch Brüder haben sich | |
beschwert, dass sie nicht alleine mit der herkömmlichen Mitfahrzentrale | |
fahren können, weil die nach dem Islam vorgegebene Geschlechtertrennung | |
hier nicht umgesetzt wird. Die Klagen der Geschwister häuften sich und so | |
hatte ich den Einfall für "Muslim-Taxi". | |
Es ist also reine Nächstenliebe, die Sie antreibt? | |
Es gibt auch eine persönliche Erfahrung, die mich motiviert hat. Ich habe | |
einmal für meine Eltern eine Mitfahrgelegenheit von Hamburg nach Berlin | |
organisiert. Mir hört man ja nicht an, dass ich ein Migrant bin. Als ich | |
meine Eltern zu dem Treffpunkt brachte, sah ich bei dem Fahrer und seiner | |
Begleitung eiskalte Leere in den Blicken. Es war ganz klar, dass sie keine | |
Ausländer mochten. Während der Fahrt haben sie dann über Ausländer im | |
allgemeinen und das Kopftuch meiner Mutter im speziellen gelästert. Da | |
meine Eltern nicht mitten auf der Autobahn aussteigen konnten, mussten sie | |
sich das alles anhören. Sie gingen davon aus, dass meine Eltern die | |
deutsche Sprache nicht beherrschten, doch da haben sie sich getäuscht. | |
Sie sprechen von Diskriminierung und kritisieren das Unwissen der | |
Mehrheitsgesellschaft. Aber fördern sie durch eine Mitfahrzentrale für | |
Muslime nicht eine Trennung aus dem genau dieses Unwissen kommt? | |
Wir machen nichts Anderes, als etwa christliche kirchliche Gemeinschaften, | |
die sich auch untereinander unterstützen. Außerdem können auch Nichtmuslime | |
an den Fahrten teilnehmen. Wer also wirklich den Dialog sucht, der findet | |
diesen bei "Muslim-Taxi". | |
Was genau bieten Sie ihren Kunden, was andere Mitfahrgelegenheiten | |
vermissen lassen? | |
Die Tatsache, dass Muslime, männlich wie auch weiblich eine Trennung zum | |
anderen Geschlecht anstreben sollten, hindert uns Muslime daran, | |
Mitfahrgelegenheiten zu nutzen, bei denen man sich den Fahrer und Mitfahrer | |
nicht aussuchen kann. So war es vor allem für muslimische Frauen sehr | |
schwer, ohne Begleitung gewöhnliche Mitfahrgelegenheiten zu nutzen. Mit | |
Muslim-Taxi sind diese Probleme alhamdulillah (Gott sei Dank - Anm. d. | |
Red.) nicht mehr gegeben, denn auf der Angebotsseite finden Interessenten | |
die direkte Angabe, ob es bei dem Anbieter um eine männliche oder eine | |
weibliche Person handelt. So schützen wir auch die Ehen. Ich habe schon oft | |
gehört, dass Verheiratete bei Mitfahrgelegeheiten einen Seitensprung | |
kennengelernt haben und ihre Partnerschaft daran zerbrach, Familien daran | |
kaputt gegangen sind. | |
Sie sehen es als ihre Aufgabe an, Ehen zu schützen? | |
Ich biete eine einfache Möglichkeit an, bei der ich das Fremdgehrisiko | |
weitgehendst eingrenze. Meine Fürsorge ist auch islamisch bedingt: Wir | |
Muslime passen untereinander auf uns auf, wir sind Geschwister im Glauben | |
und unterstützen uns gegenseitig. | |
Fürsorge? Letztlich geht es ums Geldverdienen, oder? | |
"Muslim-Taxi" ist alhamdulillah die erste islamische Mitfahrzentrale in | |
Deutschland und in ganz Europa zur Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten für | |
Muslime. Mein Konzept ist vergleichbar mit dem eines Möbelhauses. Manche | |
spezialisieren sich auf Küchen, andere auf Polstermöbel. Auch ich bediene | |
eine Nische, um damit auch vielleicht ein wenig Geld zu verdienen. Außerdem | |
fahren Hamburger HSV Fans doch auch nicht mit Fans vom FC Bayern. Es ist | |
keine Parallelgesellschaft, es sind schlicht verschiedene Interessen, die | |
aufeinandertreffen und die ich bediene. | |
Liegt Ihnen neben Geschlechtertrennung und Ehepflege noch etwas am Herzen? | |
Das Beste daran, dass Muslime mit Muslimen fahren ist mit Abstand wohl die | |
Da'wa, die Mission. Worüber sonst sollten sich zwei oder mehrere | |
unterhalten, wenn Sie sich gerade erst kennenlernen und das einzige, was | |
Sie gemeinsam haben die Religion ist? Natürlich über den Islam. Außerdem | |
können so auch Andersgläubige dem Islam herangeführt werden. Ich möchte | |
dazu beitragen, dass Muslime zusammenkommen, zu einander stehen und | |
gemeinsam an dem Stärken des Islams teilhaben. Dass auch Nichtmuslime sich | |
für unseren Glauben begeistern und diesen vielleicht sogar annehmen. | |
Nichtmuslime sollen also quasi nebenher missioniert werden? | |
Es handelt sich um eine Einladung zum Islam, soche Einladungen sind die | |
Aufgabe eines jeden Muslims. Ich bin davon überzeugt, dass der Islam alle | |
Religionen verbindet und es nur einen wahren Gott gibt. | |
Ihre Idee wirkt etwas aus der Zeit gefallen. Wie zeitgemäß ist eine | |
Trennung von Mann und Frau noch in der hiesigen Gesellschaft? | |
Immer mehr Menschen konvertieren zum Islam, der große Teil davon ist | |
weiblich. Diese tragen das Kopftuch freiwillig, niemand unterdrückt sie. | |
Die Geschlechtertrennung ist Teil unseres Glaubens und der Islam ist ein | |
Teil von Deutschland - diese Frage erübrigt sich also. | |
Aber der Islam wandelt sich doch, in manchen arabischen Ländern kämpfen die | |
Frauen gegen die strikte Trennung von Frau und Mann... | |
Der Islam wird sich nicht ändern, die Prinzipien werden bleiben, die Frauen | |
werden auch in 1.000 Jahren ihr Kopftuch noch behalten wollen. Wir sind | |
überzeugt, dass der Islam die wahre Religion ist und das Gott makellos ist. | |
Die Religion, welche er uns geschenkt hat, ist es ebenso und | |
dementsprechend ist sie auch immerwährend. | |
Wie ist denn die bisherige Resonanz? | |
Wir hatten in den ersten Tagen über 2.000 Zugriffe, die Brüder und | |
Schwestern sind begeistert. Viele bedanken sich auch persönlich mit Anrufen | |
und Emails. | |
Wurden Sie für "Muslim-Taxi" auch schon kritisiert? | |
Sicherlich. Aber davon ging ich von vorn herein schon aus. Kritisiert zu | |
werden bedeutet nicht automatisch, dass man etwas Falsches tut. Glauben Sie | |
Einstein wurde nie kritisiert? Solange es nur beim Verbalen bleibt, jedem | |
das Seine. | |
24 Jan 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://muslimtaxi.de/ | |
## AUTOREN | |
Cigdem Akyol | |
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