| # taz.de -- Syrer im Libanon: Soldaten prügeln Migranten | |
| > Wegen eines angeblichen Anstiegs der Kriminalität geht die libanesische | |
| > Armee gegen Migranten aus Syrien vor. Dahinter steckt Misstrauen und | |
| > Rassismus. | |
| Bild: Libanesische Soldaten in der Hauptstadt Beirut | |
| BEIRUT taz | „Ich bin froh, dass die Armee die Syrer verprügelt hat. Sie | |
| kommen in mein Geschäft und stehlen, sie belästigen unsere Frauen und | |
| verprügeln unsere Jugendlichen“, sagt Cesar. Der 61-Jährige betreibt einen | |
| Laden in Jeitawi, einem Stadtteil von Beirut. Er liegt in der Nähe einiger | |
| Häuser, in denen mehrheitlich syrische Migranten wohnen. | |
| Vor einigen Tagen drang die libanesische Armee in mehrere dieser Häuser | |
| ein. In einer vierstündigen Aktion verprügelte sie die dort lebenden Syrer, | |
| Ägypter und Sudanesen. Immer wieder mussten sich die Migranten hinknien, | |
| während sie mit Kabeln und Besenstielen geschlagen wurden. Unter den Augen | |
| mehrerer Nachbarn wurden die Männer eine Außentreppe hochgetrieben, während | |
| Soldaten ihnen mit den Fäusten ins Gesicht schlugen. | |
| „Die Soldaten stürmten einfach in unser Haus und fingen an, uns zu | |
| schlagen“, sagt Mahmud (*), einer der Syrer, der taz. Auf seinem Rücken | |
| prangt ein tellergroßer Bluterguss. „Sie stellten uns keine Fragen, sondern | |
| brüllten nur ’Armee! Armee!‘“ Laut Mahmud mussten vier Männer im | |
| Krankenhaus behandelt werden. | |
| Jeitawi ist mehrheitlich christlich. Die Familienbeziehungen im Viertel | |
| sind eng. „Meine Familie lebt hier schon seit meinem Ururgroßvater“, sagt | |
| Cesar und nickt in Richtung der kleinen verschlungenen Straßen. „Das hier | |
| ist wie ein kleines Dorf, wir wollen die Migranten hier nicht.“ Während des | |
| libanesischen Bürgerkriegs und in den darauffolgenden Jahren litt das | |
| Viertel immer wieder unter Angriffen des syrischen Militärs und | |
| Geheimdiensts. | |
| ## Anstieg der Kriminalität | |
| In einer Stellungnahme rechtfertige die libanesische Armee ihre Aktion und | |
| verwies auf angebliche Zunahme von Verbrechen und sexueller Belästigung | |
| durch „Arbeiter anderer Nationalitäten“. Sexuelle Belästigung ist ein | |
| weitverbreitetes Phänomen im Libanon. | |
| Mehrere Lokalpolitiker unterstützten die Armee in einer Stellungnahme und | |
| forderten sie auf, weiter gegen „Belästigung, Vergewaltigung, Mord und | |
| Diebstahl seitens Tausender ausländischer Arbeiter vorzugehen“. | |
| Die Stellungnahmen spiegeln den wachsenden Rassismus wider, der im ganzen | |
| Land um sich greift – nicht zuletzt, seit der Bürgerkrieg in Syrien auch | |
| auf den Libanon übergreift. Eine Autobombe tötete vor zehn Tagen drei | |
| Menschen und verletzte mehr als hundert. Der Anschlag, den Beobachter dem | |
| syrischen Regime anlasten, rief bei vielen böse Erinnerungen wach. | |
| Syrische Truppen besetzten den Libanon während und nach dem Bürgerkrieg für | |
| 29 Jahre. Viele der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen fallen in diese | |
| Zeit. Dementsprechend treffen syrische Flüchtlinge und Migranten verstärkt | |
| auf Ablehnung und Rassismus. | |
| ## Gerüchte und Hörensagen | |
| In Hamra, einem anderen Stadtteil Beiruts, wurden kürzlich sechs Syrer mit | |
| Messern angegriffen. Mehrere wurden lebensbedrohlich verletzt. In Wadi | |
| Khaled im Nordosten des Landes mehren sich die Klagen über steigende | |
| Lebensmittel- und Mietpreise, seit die Zahl der syrischen Flüchtlinge | |
| zunimmt. Doch während Letzteres laut einer Studie der UNO zutrifft, | |
| basierte die Militäraktion in Jeitawi auf Gerüchten und Hörensagen. | |
| „Selbstverständlich kommt es zu Diebstahl und sexueller Belästigung in | |
| Jeitawi. Aber es gibt dabei keinen besonderen Zusammenhang mit Syrern“, | |
| sagte ein Polizeibeamter, der es vorzog, anonym zu bleiben, zur taz. „Die | |
| Stellungnahmen der Armee und der Lokalpolitiker haben keinerlei faktische | |
| Basis.“ | |
| Das entspricht auch der Erfahrung von Noha Roukoss vom Caritas Lebanon | |
| Migrant Center (CLMC). Das CLMC hilft Syrern, wenn sie verhaftet werden | |
| oder vor Gericht stehen. „Es gibt keine Zunahme sexueller Belästigung | |
| seitens syrischer Einwanderer“, sagt Roukoss. „Aber es gibt eine Art von | |
| Panik in der libanesischen Bevölkerung.“ | |
| Für Farah Salka, Mitglied der Bewegung gegen Rassismus, hat diese Panik | |
| einen Namen. „Es ist ein klarer Fall von Rassismus.“ Ihrer Ansicht nach | |
| kannte jemand aus dem Viertel jemanden in der Armee und bat um einen | |
| Gefallen. „Die Armee ist gekommen, um den Syrern klarzumachen, wo ihr Platz | |
| ist. Sie sollen sich hier nicht allzu sehr heimisch fühlen.“ | |
| Name geändert | |
| 31 Oct 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Raphael Thelen | |
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