# taz.de -- Verwertung von Telefondaten: Ich sende, also bin ich | |
> Der Mobilfunkkonzern Telefónica will Bewegungsdaten von Nutzern zu Geld | |
> machen. Die Vision: Wer keine Datenspuren hinterlässt, ist nicht mehr | |
> relevant. | |
Bild: Telefónica schaltet das Licht ein – per Funkzellenabfrage. | |
Ein leerer Parkplatz in der Nacht. Ein paar Laternen am Rand erhellen den | |
Asphalt nur spärlich, eine kleine Grünfläche und ein einsamer Baum schaffen | |
es nicht, den Ort angenehmer zu machen. Irgendwo am Horizont lässt sich | |
eine rote Ampel erahnen, daneben die schummrige Beleuchtung eines Gebäudes, | |
vielleicht einer Fabrik. | |
„Wenn die örtlichen Verwaltungen wüssten, dass niemand vor Ort ist“, sagt | |
die weichgespülte Männerstimme aus dem Off, „wäre es dann nicht eine | |
schlaue Idee, Strom zu sparen?“ Nach und nach gehen die Lampen aus und der | |
Straßenzug versinkt in Dunkelheit. | |
Es ist eine Szene aus einem Unternehmensvideo des Mobilfunkkonzerns | |
Telefónica, zu dem auch der deutsche Anbieter O2 gehört. Potenziellen | |
Geschäftspartnern soll es signalisieren: Seht her, wir haben tolle Daten, | |
die für euch nützlich sein können. Standortdaten der Kunden nämlich, die | |
entstehen, wenn sich die Telefone mit den Sendemasten des Netzes verbinden. | |
Anhand derer kann der Mobilfunkanbieter erkennen, wo sich ein Kunde | |
aufhält, wie lange er dort weilt und welche Wege er zurücklegt. Eine Anfang | |
Oktober gegründete Abteilung soll dafür sorgen, diese Daten künftig zu Geld | |
zu machen. | |
## Eine effizientere Welt | |
Die Botschaft des Unternehmens: Es gehe nicht darum, in die Privatsphäre | |
von jemandem einzudringen, sondern die Welt effizienter, besser, ja | |
lebenswerter zu machen. Einfach ein paar Daten, die sowieso anfallen, | |
gespeichert, kombiniert und ausgewertet, fertig ist die Revolution. | |
Mindestens. | |
Wunderbar, möchte man ausrufen und alle Bedenken bezüglich mangelnder | |
Anonymität vergessen. Flexibel sein, Strom sparen, wer kann etwas dagegen | |
haben? Zumal all das automatisiert passieren würde. Der Mobilfunkanbieter | |
übermittelt in Echtzeit, ob sich gerade Menschen in der betreffenden | |
Umgebung aufhalten. Kein Mitarbeiter der Behörde muss vorbeikommen, um | |
nachzuschauen, ob der Parkplatz wirklich ungenutzt ist. Keine Unsummen an | |
Haushaltsgeldern für umfangreiche Studien, in denen dann steht, dass der | |
Platz sonntagabends immer leer ist. Es ist ganz einfach: Keiner da? Licht | |
aus. Macht man es ja zu Hause auch so. | |
Keiner da? Tatsächlich keiner da? Oder nur niemand, der gerade ein | |
eingeschaltetes Handy in der Tasche hat? | |
## Nicht mehr vorhanden sein | |
Telefónica – und das ist nicht der einzige Telekommunikationskonzern, in | |
dem man überlegt, was man mit den Bewegungsdaten seiner Kunden so alles | |
anstellen kann – zeigt eine Welt, in der nur derjenige etwas zählt, der mit | |
dem Handy unterwegs ist. Der Datenspuren hinterlässt. Der Unternehmen die | |
Möglichkeit gibt, das eigene Verhalten auszuwerten. | |
Der Ladeninhaber, der in der Vorstellung von Telefónica mittels | |
Bewegungsdaten auf der Suche nach einem neuen Standort für seine Filiale | |
ist und dafür Wege durch das Einkaufscenter auswertet, ignoriert getrost | |
alle Menschen ohne Mobiltelefon. Ebenso der Vermieter von Werbeflächen, der | |
messen will, wie viele potenzielle Kunden an Plakaten vorbeigehen. Dabei | |
geht es nicht nur um Kunden, sondern auch um Bürger: Wer keine Spuren | |
hinterlässt, ist schlicht nicht mehr vorhanden. Siehe Parkplatz. Und wer | |
mit zwei Handys unterwegs ist, wird dafür vermutlich doppelt gewertet. | |
Diese Vorstellung passt zu der von so manchem Politiker, die Anonymität | |
nicht als Gewinn, sondern als Bedrohung zu begreifen. Insofern ist es wie | |
mit allen Daten: Sind sie erst mal da und wohlbehalten auf ein paar | |
Festplatten verstaut, ergeben sich schon Begehrlichkeiten. Nicht zuletzt – | |
und hier sind wir wieder beim Staat – seitens der Strafverfolgungsbehörden. | |
Science-Fiction sind die Gedankenspiele von Telefónica dabei keineswegs. | |
Schon heute bedienen sich Konzerne wie Apple, Google und Microsoft der | |
Standortdaten von Kunden, über die GPS-Funktion des Handys. Auch Apps | |
interessieren sich für die Bewegungen der Nutzer – und das nicht nur, wenn | |
es um Navigation oder die lokale Wettervorhersage geht. | |
Im Gegensatz zu den Vorstellungen von Telefónica haben diese Schnüffeleien | |
immerhin einen Vorteil: Man kann sie, ohne auf das Handy zu verzichten, | |
ausschalten. Ohne Gefahr, dass irgendwann deswegen das Licht ausgeht. | |
31 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Svenja Bergt | |
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