# taz.de -- Türkischer Premier in Deutschland: Eine tiefere Länderfreundschaft | |
> Tausende protestieren gegen den Besuch vom türkischen Premier Erdogan in | |
> Berlin. Der verhandelt mit Kanzlerin Merkel eine vertiefte Beziehung zu | |
> Deutschland. | |
Bild: Wollen die Distanz überwinden: Erdogan und Merkel | |
BERLIN taz | Es waren dann doch höchstens 3.000 und nicht, wie erwartet, | |
10.000 Demonstranten, die am Mittwochmorgen zur Protestkundgebung in | |
Rufweite des Reichstags gekommen waren. „Erdogan ist ein Feind der Kurden“, | |
„Frieden in Nahost“ oder, am originellsten, „Assimilation ist ein | |
Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ stand auf den Plakaten, die viele mit | |
sich führten. Andere erinnerten auf Transparenten an die 750 Gefangenen, | |
die sich derzeit in der Türkei im Hungerstreik befinden, sowie an die 90 | |
Journalisten, die dort in Haft sind. | |
Es war ein ungewöhnlich breites Bündnis von Migrantenverbänden, das zu der | |
Kundgebung aufgerufen hatte, an erster Stelle die Alevitische Gemeinde in | |
Deutschland und der kurdische Verband Yek-Kom. Zum Teil waren die | |
Teilnehmer nachts mit Bussen aus dem Westen der Republik angereist, aus | |
Ludwigshafen oder Düren. | |
Es ist ein Bündel aus durchaus unterschiedlichen Motiven, das den Protest | |
antreibt. So kritisiert Ali Dogan, der Generalsekretär der Alevitischen | |
Gemeinde in Deutschland, der türkische Premier Erdogan fördere den Aufbau | |
einer „Parallelgesellschaft in Deutschland“. | |
Die Linken-Politikerin Sevim Dagdelen dagegen wirft der Türkei vor, einen | |
Krieg mit Syrien zu planen und Waffen an dschihadistische Gruppen im | |
Nachbarland zu liefern. Im Kern aber stoßen sich alle Gruppen an Erdogans | |
Bilanz in Sachen Minderheiten und Menschenrechte. | |
## Die größte türkische Botschaft weltweit | |
Am Abend zuvor hatte Erdogan im Beisein von Außenminister Guido Westerwelle | |
(FDP) die neue türkische Botschaft im Diplomatenviertel in | |
Berlin-Tiergarten eingeweiht. Sie ist jetzt die größte diplomatische | |
Vertretung der Türkei weltweit und steht an dem Ort, an dem schon vor dem | |
Zweiten Weltkrieg eine türkische Botschaft stand. | |
2.000 geladene Gäste drängten sich am Tag der offiziellen Einweihung in der | |
Eingangshalle, die den Charme eines Einkaufszentrums verströmt, und | |
warteten auf Erdogan und Westerwelle, die mit großer Verspätung eintrafen. | |
Bei ihrem gemeinsamen Auftritt betonten dann beide, Westerwelle wie | |
Erdogan, die engen Verbindungen zwischen beiden Ländern, die sich im | |
Handelsvolumen und im Tourismus zeige, sowie die historischen Bande. | |
Im kommenden Jahr werde man auf 250 Jahre deutsch-türkischer Beziehungen | |
blicken können, sagte Erdogan, sei der erste osmanische Botschafter doch | |
1763 in Preußen eingetroffen. Außerdem kündigte er an, ein türkisches | |
Kulturinstitut gründen zu wollen, und forderte seine türkischen Zuhörer | |
auf, durch verstärkte Anstrengungen und Zusammenhalt zu einer | |
Modellminorität in Europa zu werden. „Sie sind keine Gäste“, sagte er. �… | |
gehören dazu.“ Man müsse sich große Ziele setzen, fügte er hinzu, und: | |
„Hinter ihnen steht eine starke Türkei.“ | |
Am Mittwoch stellte sich Erdogan dann gemeinsam mit Angela Merkel der | |
Presse. Dabei ging es vor allem um die Lage in Syrien. Wie Westerwelle | |
attestierte auch Merkel der Türkei dabei „Besonnenheit“ und sagte ihr | |
Unterstützung bei der Versorgung der weit über 100.000 syrischen | |
Flüchtlinge im Land zu. | |
## „Der Still stand ist nicht gut“ | |
Mit Blick auf die EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei klagte Erdogan bei | |
dem Treffen, es sei ein Fehler gewesen, vor acht Jahren die griechische | |
Republik Zypern – die er durchgängig nur „Süd-Zypern“ nannte – in die… | |
aufgenommen zu haben. Merkel sehe das übrigens genauso, behauptete er, wozu | |
die Kanzlerin keine Miene verzog. | |
Seit mehr als zwei Jahren treten die Verhandlungen mit der EU auf der | |
Stelle. „Dieser Stillstand ist nicht gut, für beide Seiten nicht“, hatte | |
Westerwelle tags zuvor gesagt. Erdogan hatte gewarnt, nicht noch weitere | |
zehn Jahre auf einen EU-Beitritt warten zu wollen. | |
Jenseits dessen aber wollen Deutschland und die Türkei ihre bilateralen | |
Beziehungen vertiefen. Im Februar 2013 will die Kanzlerin die Türkei | |
besuchen. Erdogan sagte, er hoffe, dann den Grundstein für die erste | |
deutsch-türkische Universität in der Türkei legen zu können. Danach, so der | |
Premier, stehe die Gründung einer deutsch-türkischen Universität in | |
Deutschland an. | |
31 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
Daniel Bax | |
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