# taz.de -- Bereitschaft zur Organspende gesunken: Gesetz ohne Spender | |
> Das neue Gesetz zu Organspenden tritt in Kraft. Nach den Skandalen der | |
> vergangenen Wochen hat sich die Bereitschaft zur Spende fast halbiert. | |
Bild: Wirbt um Vertrauen: Gesundheitsminister Bahr. | |
BERLIN dapd | Pünktlich zum Start der neuen Regelungen für die Organspende | |
hat die Spendebereitschaft der Bevölkerung noch einmal deutlich abgenommen. | |
Im Oktober habe es einen Rückgang um rund 50 Prozent gegenüber den üblichen | |
Spenderzahlen gegeben, sagte eine Sprecherin der Deutschen Stiftung | |
Organtransplantation (DSO). Grund ist aus Sicht des DSO-Chefs Günter Kirste | |
die Verunsicherung durch die jüngsten Transplantationsskandale. | |
Alle Bürger ab 16 Jahren werden ab dem 1. November regelmäßig befragt, ob | |
sie nach ihrem Tod Organe spenden wollen. Zur Antwort verpflichtet ist | |
jedoch niemand. Täglich sterben drei Menschen, weil es nicht genügend | |
Spender gibt. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) warb nun noch einmal um | |
Vertrauen für die neue Regelung. | |
Die jüngsten Zahlen der DSO geben allerdings wenig Grund zur Hoffnung. Im | |
Oktober hat es 59 Organspender gegeben, normalerweise liegt die Zahl | |
deutlich über 100. Bereits die Monate Juli, August und September seien | |
stark von den anhaltenden Manipulationsvorwürfen gegenüber einzelnen | |
Transplantationszentren geprägt gewesen, sagte DSO-Chef Kirste. Es müsse | |
nun alles dafür getan werden, um die Verdachtsfälle lückenlos aufzuklären | |
und weiterem Missbrauch vorzubeugen, forderte er. | |
In Göttingen und Regensburg soll ein Oberarzt Krankenakten manipuliert | |
haben, um Patienten auf der Warteliste für Spenderorgane vorne zu | |
platzieren. Auch aus einer Klinik in München wurden Unregelmäßigkeiten | |
gemeldet. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. | |
Bahr räumte ein, die jüngsten Manipulationsskandale hätten das Vertrauen in | |
Deutschlands Organspendensystem massiv beschädigt. Darauf habe die Politik | |
aber richtig reagiert, nämlich mit einer stärkeren staatlichen Kontrolle | |
bei der Organspendenvergabe, sagte der Gesundheitsminister dem | |
Rundfunksender RBB-Inforadio. | |
## „Eine Menge gute Argumente“ | |
Er appellierte an die Bundesbürger, sich mit ihrer Bereitschaft zur | |
Organspende noch einmal auseinanderzusetzen. „Niemand soll gezwungen werden | |
zu einer Entscheidung. Aber es ist auch klar: Jeder, der sich zu Lebzeiten | |
für eine Organspende entscheidet, entlastet seine Angehörigen“, sagte er. | |
Die Organspende biete die Möglichkeit, jemand anderem eine zweite | |
Lebenschance geben, sagte der FDP-Politiker weiter. „Das ist ein Akt der | |
Nächstenliebe, der zwar kein Zwang sein kann, aber für den es eine Menge | |
gute Argumente gibt.“ | |
Die nun in Kraft startende Regelung reicht aus Sicht der Deutschen Hospiz | |
Stiftung jedoch nicht aus. „Statt auf Fakten, Aufklärung und klare | |
politische Verantwortung, setzt der Gesetzgeber auf Werbung und Emotion“, | |
bemängelte Stiftungschef Eugen Brysch. Dass jetzt nach den bekannt | |
gewordenen Auffälligkeiten genau diese Strategie ins Leere führe, sei nicht | |
verwunderlich. „Das Ergebnis ist eine Enttäuschung für die schwerstkranken | |
Menschen auf der Warteliste“, sagte er. | |
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) machte sich dagegen für die neue | |
Regelung stark. „Die Entscheidung über eine Organspende ist eine | |
höchstpersönliche Angelegenheit“, sagte er. Eine weitergreifende Regelung, | |
wonach sich die Bürger etwa verbindlich für oder gegen die Organspende | |
entscheiden müssen, lehnt der CDU-Politiker deshalb ab. | |
1 Nov 2012 | |
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