# taz.de -- Gefälschtes Geheimpapier: Keine Sternstunde für den „Stern“ | |
> Als vor einem Jahr der NSU aufflog, druckte der „Stern“ eine | |
> sensationelle Enthüllung. Doch das Magazin fiel auf eine Fälschung rein. | |
Bild: Kollegen gedenken der vom NSU getöteten Michèle Kiesewetter. | |
Knapp ein Jahr ist es nun her, dass der „Nationalsozialistische Untergrund“ | |
(NSU) aufgeflogen ist. In den Medien begann damals, im November 2011, auch | |
ein Wettlauf um die sensationellste Enthüllung – die sich in manchen Fällen | |
aber als peinliche Ente entpuppte. | |
Die spektakulärste Story druckte am 1. Dezember 2011 der Stern. Der Titel: | |
„Mord unter den Augen des Gesetzes?“ Das Hamburger Magazin schrieb, ein | |
Team aus US-amerikanischen und deutschen Geheimdienstlern sei womöglich am | |
25. April 2007 in Heilbronn Zeuge des Mordes an Michèle Kiesewetter gewesen | |
und könnte dies mehr als vier Jahre verschwiegen haben. Die 22-jährige | |
Polizistin war das zehnte Opfer des NSU. | |
Der Stern berief sich auf ein angebliches Observationsprotokoll des | |
amerikanischen Geheimdienstes „Defense Intelligence Agency“ (DIA), das dem | |
Magazin in Kopie vorliege. Laut dem Papier soll eine US-Spezialeinheit im | |
Rahmen einer Observation eines Islamisten zufällig Zeuge des Mordes an | |
Kiesewetter geworden sein. | |
## BKA-Präsident spricht von "Fake" | |
## | |
Auch zwei Geheimdienstler aus Bayern oder aus Baden-Württemberg wären | |
demnach Teil des Observationsteams und damit am Tatort gewesen. „Ein | |
amerikanischer Geheimdienstbericht legt nahe, dass deutsche | |
Verfassungsschützer Zeugen des Heilbronner Polizistenmordes waren“, schrieb | |
der Stern. „Warum schwiegen sie dann?“ | |
Gleich nach Erscheinen waren Zweifel laut geworden. Inzwischen gehen sowohl | |
die US-amerikanischen als auch die deutschen Behörden davon aus, dass das | |
vom Stern in Teilen abgedruckte Protokoll eine Fälschung war. | |
Im NSU-Untersuchungsausschuss sagte BKA-Präsident Jörg Ziercke, es sei für | |
ihn „erwiesen, dass das, was da abgedruckt war im Stern, ein Fake war“. | |
Auch für die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe ist die Sache geklärt. Man | |
habe Hinweise auf eine angebliche Anwesenheit von US-Sicherheitskräften | |
beim Heilbronner Mord „eingehend“ geprüft, teilt ein Sprecher mit. „Kein… | |
der Hinweise hat sich als tragfähig erwiesen.“ | |
Eine Sprecherin des Stern antwortet auf die Frage, ob man heute noch davon | |
ausgehe, dass das Protokoll echt ist, nun mit einer überraschenden Antwort: | |
„Der Stern hat die Frage der Echtheit des Protokolls immer offen gelassen.“ | |
In dem am 1. Dezember 2011 vom Stern gedruckten Text war das Papier an | |
einer Stelle allerdings als „augenscheinlich echt“ bezeichnet worden. Doch | |
offenkundig hat der Augenschein getrogen. | |
Die US-Botschaft sprach gegenüber dem BKA laut einem internen Bericht von | |
„zahlreichen Widersprüchen in Bezug auf das Format, die Terminologie sowie | |
den Inhalt“ und stufte das Protokoll ebenfalls als nicht authentisch ein. | |
Ermittler vermuten, dass es ein Ex-Mitarbeiter eines US-Geheimdienstes war, | |
der dem Stern die peinlichste Ente seit der Entdeckung der vermeintlichen | |
Hitler-Tagebücher beschert hat. Der Mann bestreitet das gegenüber der | |
sonntaz. | |
Interne Akten aus dem Bundesinnenministerium zeigen allerdings, dass er | |
sich schon vor Erscheinen der Stern-Geschichte an Innenminister Hans-Peter | |
Friedrich und an das BKA gewandt hatte. Seine angeblichen Erkenntnisse | |
deckten sich weitgehend mit dem, was zwei Wochen später in dem Magazin | |
erschien. | |
Auf die Frage, ob der Stern das vermeintliche Observationsprotokoll von | |
einem ehemaligen US-Geheimdienstler bekommen hat, teilt eine Sprecherin des | |
Magazins mit: „Zur Herkunft seiner Informationen äußert sich der Stern | |
grundsätzlich nicht.“ Nur so viel: Geld sei nicht geflossen. | |
Wie der Stern auf eine Fälschung hereinfiel, lesen Sie in der Ganzen | |
Geschichte „Die Polizistin, der Tod und die Fälschung“ in der sonntaz vom | |
3./4. November 2012. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im Wochenendabo. Und für | |
Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz. | |
2 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
F. Dachsel | |
W. Schmidt | |
## TAGS | |
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