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# taz.de -- Abstimmung über Treitschke: Visitenkarten für weltoffenes Berlin
> In Steglitz können die Anwohner jetzt entscheiden, ob sie in einer Straße
> wohnen wollen, die nach dem Antisemiten Heinrich von Treitschke benannt
> ist.
Bild: Wollen die Grünen weg haben: die Treitschkestraße.
Die Anwohner der Treitschkestraße in Steglitz können seit Montag
entscheiden, ob ihre Straße einen neuen Namen bekommt. Heinrich von
Treitschke war einer der Wegbereiter des Antisemitismus im deutschen
Bürgertum im 19. Jahrhundert. Zu seinen Publikationen gehören Schriften wie
„Die Juden sind unser Unglück“ – eine Aussage, die zum Leitspruch der
antisemitisch-hetzerischen Wochenzeitung Der Stürmer wurde.
„Blutvermischung“ und „Mischkultur“ waren für ihn ein „zersetzender
Faktor“, auf den das germanische Volksempfinden mit Abwehr reagieren müsse.
Die Anwohner der Straße erhalten die Abstimmungsbögen per Post und haben
einen Monat Zeit, sich zurückzumelden. Der Bezirk hat angekündigt, das
Votum umzusetzen. Für die Umbenennung sind SPD, Grüne, Linke, Piraten und
die benachbarte evangelische Patmos-Gemeinde.
## Ehrung „unangemessen“
Die Landes- und Bezirksvorsitzenden der Grünen, Bettina Jarasch und Annika
Schmidt-Kotsch, teilten in einer gemeinsamen Erklärung mit: „Eine Ehrung
von Treitschkes im Straßenbild Berlins ist unangebracht. Wir werben
deswegen nachdrücklich für die Umbenennung.“ Die Anwohnerbefragung ist ein
Kompromiss in der Zählgemeinschaft des Bezirks zwischen den Grünen und der
CDU – die Christdemokraten waren gegen die Umbenennung.
Ein neuer Name steht noch nicht fest. Die SPD hat vorgeschlagen, die Straße
nach dem ehemaligen Berliner Bischof und Ratsvorsitzenden der Evangelischen
Kirche in Deutschland, Kurt Scharf, zu benennen. Scharf war Pfarrer der
Patmos-Gemeinde.
Die Grünen kündigten an, das Bezirksamt werde für die Änderungen von
Personalausweis und anderen Dokumenten unbürokratische Maßnahmen finden.
Kosten sollen nicht anfallen. Eine Druckerei hat sich mit einem
ungewöhnlichen Angebot in die Debatte eingeschaltet. „Es kann heute nicht
mehr sein, dass eine Straße den Namen eines bekennenden Antisemiten trägt,
das ist peinlich für eine weltoffene Stadt wie Berlin“, meint Tomislav
Bucec, Inhaber von Laserline. Wenn die Straße umbenannt wird, können alle
Gewerbetreibenden kostenlose neue Visitenkarten und Briefbögen bei ihm
drucken lassen, private Anwohner erhalten einen Rabatt von 50 Prozent.
5 Nov 2012
## AUTOREN
Sebastian Heiser
## TAGS
Juden
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Kolumne Gott und die Welt: Auf düsteren Straßen
Warum die CDU in Berlin manchmal einfach richtig liegt. Und warum sich die
Touristenikone Berlin New York annähern sollte.
Kontra: Die Umbenennung wäre falsch
Straßennamen sind das historische Gedächtnis der Stadt. Das gilt auch für
Treitschke, einem der unappetitlichsten deutschen Historiker. Soll man eine
Straße, die seinen Namen trägt, deshalb umbenennen? Nein.
Pro: Die Umbenennung wäre ein Signal
Das unrühmliche Treitschke-Zitat "Die Juden sind unser Unglück" gehört
ebenso auf die Gedenkstele wie der Hinweis, dass die Nazis es Jahrzehnte
später für ihre Propaganda genutzt haben. Fehlt dieser Mut, hilft nur noch
eins: die Umbenennung.
Streit um nach Antisemitem benannte Straße: Kein Friede mit Treitschke
Die Treitschkestraße in Steglitz bleibt ein Dauerbrenner. Am Freitag will
Schwarz-Grün eine Stele zum umstrittenen antisemitischen Historiker
aufstellen. Die SPD sagt: Das macht alles nur noch schlimmer.
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