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# taz.de -- Kommentar Ratingagentur verklagt: Endlich tut's mal einer
> Ein australisches Gericht hat eine Ratingagentur wegen falscher
> Bewertungen verurteilt. Auch Europa sollte Ratingagenturen dringend
> haftbar machen.
Bild: Matte Bestnoten: Ratingagenturen dürfen EU-Staaten nur noch dreimal im J…
Niemand zweifelt mehr daran, dass die Ratingagenturen an der 2007
ausgebrochenen Finanzkrise eine Mitschuld tragen. Regelmäßig hatten sie
durch ihre Bewertungen hochkomplexe und hochriskante Wertpapiere zur
sicheren Wertanlage geadelt. Mitunter hatten sie sogar Banken bei der
Entwicklung der Papiere beraten, die sie anschließend mit Bestnoten
versahen. Die Anleger merkten erst in der Krise, dass die oft nur aus
praktisch wertlosen US-Hypotheken bestehenden Wertpapiere alles andere als
ein risikoloses Investment waren.
Jetzt wird die größte der Ratingagenturen, Standard & Poor’s, erstmals auch
rechtlich dafür zur Verantwortung gezogen. Den Mut dazu hatte ein
Bundesgericht in Australien. Dort hatten mehrere Kommunen rund 16 Millionen
australische Dollar (12,8 Millionen Euro) in scheinbar todsichere Papiere
investiert – und in der Finanzkrise fast alles verloren. Inklusive Zinsen
und Anwaltskosten sprach ihnen das Gericht jetzt 30 Millionen Dollar
Schadenersatz zu. Mit dafür aufkommen muss auch die niederländische
Investmentbank ABN Amro, die die Papiere konstruiert hatte.
Das australische Gericht hatte es vergleichsweise einfach, zu seinem
strengen Urteil zu kommen: Selbst ein Angestellter der Agentur soll intern
die Bewertungen und die Modellannahmen, auf denen diese basierten, als
„real mess“ bezeichnet haben, was man als echtes Durcheinander übersetzen
kann – aber auch als Mordssauerei.
Dennoch muss man sich fragen, warum es bisher in Europa nicht gelang, den
Ratingagenturen juristisch beizukommen. Denn schließlich wurden auch hier
dieselben Wertpapiere verkauft, um die es jetzt in Australien ging. Die
Ratingagenturen waren aber bislang mit dem Verweis auf den
Haftungsausschluss davongekommen. Sie halten es da wie das Fernsehen mit
den Lottozahlen: Die Angaben erfolgen ohne Gewähr. Nur dass ihre Angaben
nicht nur für ein paar Lottogewinner relevant sind, sondern für
beträchtliche Teile der Weltwirtschaft. In den USA hatten sie sich sogar
hinter dem Verfassungsartikel zur Meinungsfreiheit verschanzt.
Immerhin kann man nun davon ausgehen, dass die rechtliche Aufarbeitung
weitergeht. Ermutigt vom Erfolg in Australien, haben Anwälte nun auch
Klagen in Europa angekündigt. Und das ist gut so. Denn die Bemühungen um
eine Re-Regulierung der Finanzmärkte sind bisher so halbherzig, so
weichgekocht von Lobbyorganisationen, dass damit allein künftige Exzesse
und Krisen wohl kaum verhindert werden.
Da ist es eine willkommene Ergänzung, wenn den Playern auf den
Finanzmärkten erstmals abschreckende Strafen aufgebürdet werden.
Schließlich wird auch so mancher potenzielle Dieb nicht allein durch die
Existenz von Antidiebstahlsregeln abgeschreckt, sondern vor allem durch die
drohende Bestrafung. Der Vorstoß des Europaparlaments, Ratingagenturen bei
groben Fehlern, Fahrlässigkeit oder Regelverstößen für ihr Tun haftbar zu
machen, ist daher dringend zu begrüßen.
6 Nov 2012
## AUTOREN
Nicola Liebert
Nicola Liebert
## TAGS
Ratingagentur
Standard & Poors
Australien
Schadensersatz
Kritik
Investitionen
Ratingagentur
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rating
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