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# taz.de -- Ex-Chef Zwanziger über DFB: „Ich wünsche mir weniger Hass“
> Theo Zwanziger verabscheute den Macho-Fußball und reformierte den DFB.
> Ein Gespräch über Uli Hoeneß, Konservatismus und seinen Rücktritt.
Bild: „Wichtig ist, dass sich Frauen beim DFB wohlfühlen“: Theo Zwanziger …
taz: Herr Zwanziger, als DFB-Präsident haben Sie Themen wie Rassismus,
Homophobie und Frauenfußball sehr hoch gehängt. Ihr Nachfolger Wolfgang
Niersbach will jetzt „zurück zum Kerngeschäft“. Beunruhigt Sie das?
Theo Zwanziger: Der Ausspruch, den Wolfgang Niersbach gewählt hat,
implementiert zumindest die Möglichkeit, dass das Geschehen auf dem Rasen
wieder alles andere überragt. Warum sagt man so was?
Ist das Kerngeschäft wirklich nur Bundesliga, Nationalmannschaft und
Nachwuchsförderung bei den Jungs und Männern? Sportfunktionäre halten sich
tendenziell lieber aus Politischem heraus. Niersbach hat meine Arbeit immer
unterstützt; es gibt für ihn keinen Grund, sie nicht fortzuführen.
Sie haben den DFB auf den Kampf gegen Diskriminierung verpflichtet. Viel
Wirkung gezeigt hat dies bisher nicht. Was ist zu tun?
Für mich hat der Fußball sich enttabuisiert und geöffnet, das ist
unumkehrbar. Sehr wichtig bleiben aber etwa Fanprojekte und Bildungsarbeit.
Mit Blick auf die weitere Entwicklung wäre es auch gut, wenn sich etwa ein
Spieler mal outet.
Fußball ist für Sie immer noch ein Machogeschäft. Wie wird der organisierte
Fußball machofrei?
Die verbalen Scharmützel, die in der Bundesliga zum Teil ausgetragen
werden, sind schlechte Beispiele. Ich würde mir da etwas weniger Hass
wünschen. Gerade was Minderheiten wie Homosexuelle unter Spielern und Fans
angeht, muss man denen Mut machen. Da kann es etwa wichtig sein, mal zu
einem Christopher Street Day zu gehen
… was Sie 2011 getan haben.
Ja, weil ich zeigen wollte: Leute, ihr gehört zum organisierten Fußball
dazu.
Dabei haben Sie mal Zweifel daran geäußert, dass es schwule Profifußballer
gibt. Wieso?
Ich bin davon überzeugt, dass es deutlich weniger sind als im Schnitt in
anderen Lebensbereichen. Spitzenleistungen zu bringen und sich gleichzeitig
zu verstecken macht einen Menschen kaputt.
Ist das, was nach einem Outing kommt, einem Spieler überhaupt zumutbar?
Es ist immer noch schwer, sich zu outen. Es gibt nach wie vor Fußballer –
aus unseren und anderen Kulturkreisen –, bei denen Homosexualität auf
Ablehnung stößt. Aber Politiker wie Klaus Wowereit haben es den Fußballern
vorgemacht.
Sie haben dem Frauenfußball größere Aufmerksamkeit gewidmet als alle
Funktionäre vor Ihnen. In Ihrem Buch zitieren sie Ihren Lieblingsfeind, den
Bayern-Manager Uli Hoeneß. Nach der Frauen-WM 2011 auf Frauenfußball
angesprochen, sagte der: „Ich dachte, wir reden jetzt über Fußball.“ Was
empfinden Sie da?
Das ist despektierlich. Da verkennt man die gesellschaftliche Breite des
Sports.
Trotzdem scheint Frauenfußball wieder zu einer Randerscheinung zu
verkommen.
Die Erwartungen an die deutsche Mannschaft bei der Frauenfußball-WM waren
viel zu hoch. Wer keine Ahnung von Frauenfußball hatte, glaubte, es sei ein
Selbstläufer, Weltmeister zu werden. Mit dem gesellschaftlichen Erfolg der
letzten Jahre aber bin ich sehr zufrieden. Die Fifa vermarktet
Frauenfußball heute ganz anders. Gerade in Asien und Afrika ist eine
Aufbruchstimmung spürbar. Bei uns aber misst man den Erfolg nur an Titeln
und an Mitgliederzahlen.
Auch die Frauen-Bundesliga hatte sich von der WM mehr erhofft.
Ja, da muss tatsächlich noch mal ein Schub kommen.
Wäre es nach der Frauen-WM nicht ein Signal gewesen, eine Frau zur
Präsidentin zu machen?
In einem Verband wie dem DFB ist das schwer, man sollte es nicht um jeden
Preis einfordern. Wichtig ist erst mal, dass sich Frauen und Mädchen im DFB
wohlfühlen, dass sie leistungsgerecht gefördert werden. Und dass ein
Pokalsieg bei den Frauen die gleiche Anerkennung findet wie bei den
Männern. Ich glaube, als manche Männer im DFB die Einschaltquoten bei der
Frauen-WM gesehen haben, waren sie gar nicht so begeistert. Das sagt viel
über das Geschäft.
Heute erscheint Ihre Biografie. Sie kritisieren darin auch, dass im
Amateurbereich zu wenig für die Integration getan werde. Was fehlt dort?
Kulturelle Weiterbildung. Man sollte Mädchen aus den muslimischen Familien
unterstützen, sodass die auch Fußball spielen können. Es ist kein Wunder,
dass wir bei den Frauen noch kein Multikulti-Nationalteam haben wie bei den
Männern.
Mit solchen Positionen gelten Sie als Frauenfußballversteher, als liberal.
Wie schwer hat man es da als Funktionär in männerdominierten Organisationen
wie dem DFB und der CDU?
Die Verantwortungsträger in der CDU standen dieser Haltung meistens positiv
gegenüber. In der Union gibt es aber auch einen angeblich wertorientierten
Konservatismus, den ich ablehne. Dort vertritt man in etwa die Haltung, für
die auch die Junge Freiheit bekannt ist. Das ist eine Art von Patriotismus,
der das Fenster zu den Nazis weit aufmacht. Dieses schleichende Gift wollen
einige auch in der Union streuen.
Sind Sie da eine innerparteiliche Opposition?
Ich habe ja in der Partei keine Ämter. Ich fühle mich im Kampf gegen die
rechte Szene wohl, gerade weil ich in der CDU bin. Mir ist wichtig, dass
die CDU nicht anfällig für den rechten Rand wird.
Alle reden über Stadiongewalt, auch in Ihrer Amtszeit spielte das Thema
eine Rolle. Ist die Gewaltbereitschaft unter den Fans überhaupt gestiegen?
Schwer zu sagen. Wir haben 80.000 Spiele an jedem Wochenende, von denen die
allermeisten reibungslos ablaufen. Es gibt nur in einigen Bereichen
dramatische Auswüchse.
Der DFB und die Deutsche Fußball-Liga DFL haben hierzu ein Konzept mit dem
Titel „Sicheres Stadionerlebnis“ vorgelegt. Das besteht vor allem aus
Vorschlägen zu einer umfassenden Überwachung der Stadien und
Körpervollkontrollen. Was halten Sie davon?
Im Stadion müssen wir die Kontrollen verschärfen, das ist für mich keine
Frage. Was ich aber in erster Linie unglücklich finde, ist, dass zuletzt
die staatliche Unterstützung der Fanprojekte gekürzt wurde. Hier findet die
präventive Arbeit statt.
Die gewaltbereiten Fans sind eine Minderheit. Darf man ihretwegen die
Freiheit aller Stadionbesucher einschränken?
Freiheitseingriffe, etwa durch Stadionverbote, sind für mich dort
unumgänglich, wo Gewalttäter unterwegs sind. Die Kameraüberwachung wird ein
notwendiges technisches Mittel sein. Körperkontrollen halte ich für kaum
durchführbar.
Um Stadiongewalt zu verhindern, befürworten Sie auch das sogenannte
englische Modell – den Verzicht auf Stehplätze in den Stadien. Für viele
Fans ist das gleichbedeutend mit dem Tod der Fußballkultur.
Wir müssen in den Stadien, wo es trotz aller Instrumente nicht
funktioniert, darüber nachdenken, ob man nur Sitzplätze zulässt. In manchen
Stadien passiert nichts, in anderen immer wieder etwas. Ich bin gegen
Generalstrafen. Im Übrigen habe ich Zweifel, ob Stimmung tatsächlich nur
durch Stehplätze zu erreichen ist.
Sprechen wir über den DFB. Der taz-Sportredakteur Andreas Rüttenauer hat
versucht, sich als Ihr Nachfolger zu bewerben. Haben Sie von seiner
Kampagne gehört?
Ja, wir sind uns begegnet und haben uns unterhalten.
Verstehen Sie seine Kritik daran, dass der DFB nicht einmal einen
Gegenkandidaten aufstellt?
Die Kritik verstehe ich. Aber der DFB scheut nichts mehr als offene
Personalfragen in der Öffentlichkeit. Man hat höllische Angst, wenn da nach
drei Tagen kein Nachfolger feststeht. Weil wir unter dem Brennglas der
Medien sitzen, kann ich das auch verstehen.
Damit bleibt der DFB völlig intransparent, seine Führung wirkt wie die
eines Schützenvereins.
Auch Schützenvereine haben ihre Bedeutung. Generell gilt für Vereine, dass
Freundschaft nicht zu Kumpanei führen darf, dann kann es gefährlich werden.
Was Transparenz angeht, kann auch der DFB immer wieder einen Schub von
außen gebrauchen. Ich würde mir mehr Auswahl in der Führungsfrage wünschen.
Wie wäre es mit einem Modell, wie es nun die Grünen-Partei ausprobiert hat:
eine Urwahl?
Ein gutes Modell, aber derzeit kann ich mir das beim DFB nicht vorstellen.
Vor zwei Jahren erschütterte die Amerell-Affäre den DFB: ein
Schiedsrichter-Funktionär, dem sexuelle Nötigung junger Kollegen
vorgeworfen wurde. Sie haben sich sehr schnell gegen Amerell positioniert
und wurden dafür heftig kritisiert. War das letztlich der Auslöser für
Ihren überraschenden späteren Rücktritt?
Nein, deshalb wäre ich nie zurückgetreten. Ich fühle mich in dieser Sache
öffentlich falsch behandelt, ich habe da keine Partei ergriffen. Ich habe
meine Pflicht getan, als Amerell sein Abhängigkeitsverhältnis missbraucht
hat. Die – von mir verschuldeten – Kommunikationspannen im Zusammenhang mit
der Vertragsverlängerung Löws haben mich erstmals über Rücktritt nachdenken
lassen.
12 Nov 2012
## AUTOREN
Jens Uthoff
## TAGS
Deutscher Fußballbund (DFB)
Theo Zwanziger
Ultras
Homosexualität im Profisport
Fußball
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Fußball
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