Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Berliner Verfassungsschutz: Wieder Nazis im Müll entdeckt
> Die Chefin des Berliner Verfassungsschutzes verschwieg zum zweiten Mal
> die Vernichtung von Neonazi-Akten.
Bild: Schwer in Bedrängnis: Berliner Verfassungsschutzpräsidentin Claudia Sch…
Es wird ganz eng für Claudia Schmid: Die Chefin des Berliner
Verfassungsschutzes musste am Dienstag einräumen, dass in ihrem Amt auch
Akten über das militante Neonazi-Musiknetzwerks „Blood and Honour“
geschreddert wurden. Schmid wusste davon seit August – und schwieg darüber
bis gestern.
Damit wird innerhalb einer Woche bereits die zweite Schredder-Aktion des
Verfassungsschutzes im Bereich Rechtsextremismus bekannt. Diesmal waren es
laut Schmid zwei Mitarbeiterinnen, die im Juli 2010 die „Blood and
Honour“-Akten in einem hauseigenen Schredder vernichteten. Da das Netzwerk
2000 bundesweit verboten wurde und in Berlin keine Nachfolgeorganisation
festzustellen war, galten die Akten als abgearbeitet, so Schmid. Anders als
vorgeschrieben hätten die Angestellten die Ordner aber nicht vor der
Vernichtung dem Landesarchiv angeboten. Ein „bedauerliches Versehen“, so
Schmid.
Sie selbst will über den Vorfall im August informiert worden sein. Da das
Schreddern vor Bekanntwerden des rechtsterroristischen NSU im November 2011
gelegen habe, habe sie „die Brisanz nicht erkannt“. Deshalb habe sie
darüber auch nicht auf der Sondersitzung des Verfassungsschutzausschusses
noch am Freitag informiert.
Bereits vor einer Woche musste Schmid einräumen, dass ihr für
Rechtsextremismus zuständiger Referatsleiter im Juni dieses Jahres – nach
monatelanger NSU-Diskussion – 57 Akten über Berliner Neonazis zum
Schreddern freigab. 32 davon waren zur Archivierung vorgesehen, darunter
Ordner zur Neonazi-Band „Landser“.
In deren Umfeld bewegten sich auch Vertraute des NSU, etwa der Sachse
Thomas S. Der lieferte Sprengstoff, half dem Trio beim Untertauchen – und
war auch Kopf von „Blood and Honour“. Im September musste Innensenator
Frank Henkel (CDU) einräumen, dass S. zudem zehn Jahre lang V-Mann des
Berliner LKA war. Dem Parlament und NSU-Untersuchungsausschuss verschwieg
Henkel das, obwohl er es seit März wusste.
Schmid entschuldigte ihr Schweigen damit, dass ihr erst am Wochenende klar
geworden sei, dass sie auch über das rechtswidrige Schreddern von 2010
informieren müsse. Dass diesmal im Amt selbst geschreddert wurde und nicht
wie im Juni in der Bundesdruckerei, nannte Schmid „üblich“. Dies sei nach
Anordnung eines Gruppen- oder Referatsleiters und im Vieraugenprinzip
erlaubt. Ob dies 2010 von dem Referatsleiter veranlasst wurde, der auch im
Juni schredderte, wusste Schmid nicht.
Unter Umständen spielt dies keine Rolle mehr für sie: Innensenator Henkel,
der am Montag von Schmid informierte wurde, fand deutliche Worte. Die
„erneute schwere Panne“ zeige, dass es „ernsthafte strukturelle Probleme
beim Berliner Verfassungsschutz“ gebe. „Diese Zustände, die offenbar über
Jahre ignoriert worden sind, müssen angepackt werden“, sagte Henkel. Dies
könne „nicht ohne Konsequenzen bleiben“. Kein gutes Omen für Schmid.
Henkel kündigte eine „ausführliche“ Erklärung für Mittwoch an, wenn sich
der Verfassungsschutzausschuss erneut trifft. Deren Mitglieder wurden über
den zweiten Schredder-Fall bereits am Montagabend informiert. Schmid selbst
ließ auf einem Pressetermin am Dienstag einen Rücktritt offen.
Entsprechende Fragen wiegelte sie ab: Dies tue hier nichts zur Sache.
Die Opposition sprach dagegen von „haarsträubenden Vorgängen“ in ihrer
Behörde. Es gehe nicht mehr um Einzelfälle, so der Linke Hakan Tas, sondern
um Strukturen. Pirat Christopher Lauer nahm auch Henkel in die
Verantwortung. Schaffe dieser nicht endlich Ordnung in seiner Behörde und
löse die „Totalausfälle im Bereich Rechtsextremismus“, sei Henkel „als
Innensenator gescheitert“.
13 Nov 2012
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
NPD
Verfassungsschutz
Verfassungsschutz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Neonazi-Netzwerk um „Hammerskins“: Hetzjagd auf der Bühne
Ein interner Bericht des Bundeskriminalamts durchleuchtet die im Geheimen
operierenden „Hammerskins“. Und ihre guten Kontakte zur NPD.
Kommentar Berliner Verfassungsschutz: Rücktritt allein reicht nicht
Nach dem Rücktritt seiner Verfassungsschutzchefin verspricht Berlins
Innensenator Henkel einen „Neuanfang“. Hoffentlich meint er das ernst.
Berliner Verfassungsschutz: Henkel schreddert Schmid weg
Die Chefin des Verfassungsschutzes, Claudia Schmid, tritt nach der Affäre
ums Schreddern von Neonazi-Akten zurück. Die Kritik bleibt.
Verfassungsschutz in Berlin: Chefin tritt zurück
Einen Tag nachdem sie von einer zweiten Panne im Berliner Verfassungsschutz
berichtete, tritt Claudia Schmid zurück. Es waren Akten über „Blood &
Honour“ vernichtet worden.
Akten-Affäre: Eiertanz um den Reißwolf
Innensenator Henkel hat Probleme, seine Informationspolitik zu erklären.
Der Eindruck verstärkt sich, dass der CDU-Mann seine Behörde nicht im Griff
hat.
Verfassungsschutz-Affäre: Innensenator angeschreddert
Berliner Verfassungsschutz hat Rechtsextremismus-Akten sehenden Auges
vernichtet. Innensenator Henkel gerät unter Druck.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.