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# taz.de -- Akten-Affäre: Eiertanz um den Reißwolf
> Innensenator Henkel hat Probleme, seine Informationspolitik zu erklären.
> Der Eindruck verstärkt sich, dass der CDU-Mann seine Behörde nicht im
> Griff hat.
Bild: Weiß er, wer in seinem Hause schreddert?
Da steht er vor Journalisten, zuckt die Schultern, hebt die Hände und lässt
sie wieder fallen. Frank Henkel, der Innensenator, nach über zwei Wochen
Krankheitspause wieder zurück, will am Donnerstag noch ein bisschen
ausführen, was er gerade den Abgeordneten gesagt hat: dass er sich nicht
vorstellen könne, wie es beim Verfassungsschutz zum Schreddern von Akten
über Rechtsextremisten kam. „Glauben Sie wirklich, dass das ein planvolles
Vorgehen war, rechts schreddern, links nicht?“, fragt der CDU-Chef in die
Journalistenrunde, „meine Fantasie reicht dafür nicht aus“.
Es waren die Grünen, die in der Fragestunde der Plenarsitzung auf Klärung
gedrängt hatten: Warum Henkel erst drei Wochen nachdem er von der
Schredderaktion erfuhr, die Fraktionen informierte – nachdem er es schon
zuvor in Sachen V-Mann Thomas S. viel zu spät getan hatte. Henkel
rechtfertigt das damit, dass er am 15. Oktober vom Verfassungsschutz nur
erfahren habe, dass Akten vernichtet wurden, nicht aber, welche. Das habe
ihm nicht als Botschaft für die Abgeordneten gereicht: „Wenn ich
informiere, dann auf genauer Faktenbasis.“ Warum aber von jenem 15. Oktober
gut drei Wochen vergingen, bis es am Dienstag diese Information gab,
vermochte Henkel nicht wirklich zu erklären. „Sie wissen doch, ich war in
den letzten zwei Wochen nur beschränkt arbeitsfähig“, sagte der
Innensenator und wirkte mit dieser Antwort selbst nicht glücklich. Weiteres
soll sich möglicherweise in der Sondersitzung des Parlamentsausschusses für
Verfassungsschutz am heutigen Freitag klären, von der Henkel sagt: „Ich
glaube nicht, dass das die letzte Sitzung zum Thema war.“
Die gereizte Art, in der Henkel in der Fragestunde auf die Vorwürfe der
Opposition reagiert hatte, lässt indes keinen Zweifel: Die Nerven des
Innensenators liegen blank. Der Vorgang verstärkt den Eindruck, dass der
Mann seine Behörde nicht im Griff hat. Oder andersherum: Die
Senatsverwaltung für Inneres hat ein Führungsproblem.
## Ein Fremdkörper geblieben
Henkel – gelernter Kaufmann, kein Jurist – sei als CDU-Chef gut
ausgelastet, in seiner Behörde aber ein Fremdkörper geblieben, verlautet
aus gut unterrichteten Kreisen. Henkel habe die Abteilungsleitersitzungen
abgeschafft, er werde von drei engen Vertrauten, die er mitgebracht habe,
abgeschottet. Er sei ein guter Rhetoriker und wisse sich öffentlich
darzustellen, aber seine Mitarbeiter kämen nicht an ihn heran. Während sich
in den angrenzenden Räumen die Akten stapelten, sei das Büro des
Innensenators praktisch aktenfrei.
Die Kommunikation zwischen den Abteilungen und der Hausspitze erfolgt dem
Vernehmen nach über Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU). Der ist Jurist,
gehört aber nicht zu Henkels engen Vertrauten. Die Folge: Wichtige Dinge
können nicht entschieden werden, weil man die Meinung des Senators nicht
kennt.
Krömer, zuständig für Polizei und Verfassungsschutz, war es auch, der die
verfassungspolitischen Sprecher am Dienstag über die Aktenschredderung
informiert hatte. Da war Henkel noch krank. Die offizielle Erklärung für
seine zweieinhalbwöchige Abwesenheit: Der Innensenator leide an einer
schweren Erkältung. Das Gerücht vom Burn-out, das in Journalistenkreisen
umging, wurde von seiner Pressestelle strikt verneint.
SPD-Fraktionschef Raed Saleh kommentierte die Vorgänge mit den Worten:
„Unsere Innenpolitiker sind sehr irritiert und haben Gesprächsbedarf.“
Grünen-Politiker Benedikt Lux nannte Henkel im Plenum einen
„Rechtsbrecher“, was ihm einen Ordnungsruf einbrachte. Neue Vorkommnisse
mit NSU-Zusammenhang müssten dem Abgeordnetenhaus unverzüglich, spätestens
aber innerhalb von 48 Stunden zur Kenntnis gegeben werden, verlangten die
Grünen von Henkel in einem Eilantrag. S. ALBERTI, P. PLARRE
8 Nov 2012
## AUTOREN
Stefan Alberti
Plutonia Plarre
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