# taz.de -- Diskussion um „weißen Mann“: Weiß auch nicht | |
> In deutschen Medien wird der weiße Mann beerdigt. Der Abgesang auf ein | |
> Standard-Weltbild ist dabei tumb und voller Klischees. | |
Bild: Der weiße Mann: niedergestreckt. | |
Zwei Wochen nach der Wiederwahl von Barack Obama zum Präsidenten der USA | |
ist es da: Das Ende des weißen Mannes. So titelt die Zeit in ihrer | |
aktuellen Ausgabe und Spiegel Online fragte sich gar: [1][„Weißer Mann, was | |
nun?“]. Migranten, so stellt man fest, sind auf dem „Vormarsch“. Der | |
Vormarsch des weißen Mannes, so wird da konstatiert, ist endlich gestoppt, | |
die Rollen werden getauscht. | |
Den dominanten Vormarsch kann man nun getrost den Frauen, den Schwarzen, | |
den Latinos überlassen. Denn dem weißen Mann, der vor seinem „evolutionären | |
Ende“ steht , muss etwas entgegengesetzt werden. Kann man denn den | |
Vormarsch nicht ganz sein lassen? Den Weg einfach gemeinsam gehen. | |
Der elitäre Republikaner Mitt Romney, der asketische General David Petraeus | |
und sicherlich letztlich auch Peer Steinbrück scheiterten oder werden | |
scheitern – das Ende der Ära ist global zu betrachten. Die einen an einem | |
schwarzen Präsidenten, der andere an selbstbewussten Frauen. | |
Der Abgesang auf weißen Habitus und weiße Ideologien ist dabei tumb und | |
argumentativ grad recht auf der Linie des ach so verhassten weißen Mannes. | |
Munter wird mit Klischees gearbeitet. Da werden Männer-Hinterzimmer mit | |
Whiskey und Zigarren bemüht, arbeitslose schwarze Autobauer und Frauen, die | |
ihre Männer „zugleich ganz sensibel und ungebrochen männlich“ haben | |
möchten. | |
## Zigarre, weißer Mann? Da war doch was. | |
David Petraeus jedoch ist nicht am schwarzen Mann gescheitert und schon gar | |
nicht als weißer Mann. Petraeus ist – sollte, wie es aussieht, die | |
nationale Sicherheit der großen Nation nicht in Gefahr gewesen sein – als | |
Privatmensch in einen Konflikt geraten. Ob es ein Scheitern war, gilt es in | |
seinem Privatleben zu diskutieren. Skandalisiert wurde die Affäre | |
flächendeckend in einem multikulturellen Land, das sich prüde und moralisch | |
gibt. Nicht von weißen Männern, das Whiskeyglas in der Hand, die Zigarre | |
zwischen den im weißen Gesicht rosig glänzenden Lippen. Zigarre, weißer | |
Mann? Da war doch was, Bill Clinton. | |
Romney wäre in diesen weißen Hinterzimmern übrigens ebenso deplatziert wie | |
es vielleicht Barack Obama ist. Der Mann trinkt nicht, der Mann raucht | |
nicht, der Mann ist nicht gesellig. Er würde als Weißer einen Weißen | |
spielen – trotz konservativem Weltbild. Und weil der Mann als abgehoben und | |
perfektionistisch gilt, werden diese Eigenschaften sogleich zu Merkmalen | |
weißer Eliten gemacht. Eliten sind also ausschließlich männlich; Frauen | |
oder Latinos ist Perfektionismus fremd. Engstirnige, diskriminierende | |
Gedanken – wie sie eigentlich nur der weiße Mann denkt. | |
Ausgewogen und den sich verändernden Demografien der amerikanischen | |
Gesellschaft öffnend ist das alles nicht. Auch die taz titelte in einem | |
Text nach Obamas Wiederwahl [2][„Der Weiße gewinnt keine Wahl mehr“]. | |
Da sind die Medien mit ihrer Denke nicht viel revolutionärer als Romney, | |
der versuchte, mit markigen Sprüchen gegen Einwanderer die Stimmen seiner | |
weißen Zielgruppe abzugreifen. Anstatt die Denkmuster aufzugeben, wird am | |
Weltbild festgehalten. Ein an den Marterpfahl gefesselter Terrence Hill ist | |
so rückwärtsgewandt wie der weiße Mann, der da kritisiert wird. | |
## Quote für den weißen Mann | |
Klischeefrei Realitäten zu beschreiben wäre wohl nicht diskriminierend | |
genug gewesen. Realität ist, dass sich die Minderheiten in den USA zu | |
Mehrheiten zusammenfinden können, um einen schwarzen Präsidenten in seinem | |
Amt zu bestätigen. Realität ist aber auch, dass, die USA seit mehr als 50 | |
Jahren das Konzept der „affirmative action“ (positive Diskriminierung) | |
haben, um Gleichberechtigung und Gleichbehandlung etwa an Universitäten, zu | |
gewährleisten. Keine dieser Maßnahmen ist bisher aufgegeben worden, weil | |
sie ihr Ziel erreicht haben. Da das Ende des weißen Mannes nun | |
bekanntermaßen naht, müsste er berechtigt sein, von „affirmative | |
action“-Programmen zu profitieren. Die Quote für den weißen Mann. | |
Tatsächlich behandelt der Oberste Gerichtshof der USA gerade einen Fall der | |
„affirmative action“. In [3][„Fisher vs. University of Texas“] klagen d… | |
weißen Studentinnen Abigail Fisher und Rachel Multer Michalewicz gegen die | |
Universität, weil sie keinen Studienplatz erhalten haben. Ihr Argument: | |
Diskrimierung. Der Rechtsspruch des Supreme Court könnte die gesamte Praxis | |
der „affirmative action“ in den USA kippen. Wäre das der endgültige Sieg | |
über den weißen Mann, der Beweis, dass Frauen, Schwarze, Latinos und | |
Asiaten es ohne die Regierung im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu | |
etwas bringen können und es mittlerweile die Weißen sind, die Quoten und | |
Starthilfen fordern? | |
Es wäre ein allzu billiger Sieg, wie der Abgesang auf das Stereotyp des | |
weißen Mannes einer ist. Sollte es in einem Land, das einen Präsidenten | |
wählt, der weder schwarz ist noch weiß, der sich in seiner eigenen | |
Biographie lange nicht für einen der beiden Lebenswege entscheiden konnte | |
und nun das ist, was auch das Land ist – multikulturell – nicht einfach nur | |
um Chancengleichheit für jeden gehen? Das wäre doch mal ein Klischee. | |
15 Nov 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/was-david-petraeus-und-mitt-romney-zu… | |
[2] /Warum-Obama-gewonnen-hat/!105054/ | |
[3] http://www.utexas.edu/vp/irla/Fisher-V-Texas.html | |
## AUTOREN | |
Rieke Havertz | |
Rieke Havertz | |
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