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# taz.de -- Roller Derby: Toughe Frauen hauen sich um
> Flink, kompromisslos und mit hohem Glamourfaktor: Die Berlin Bombshells
> gewinnen das EM-Halbfinale des fast ausschließlich von Frauen betriebenen
> Sports
Bild: Bringen diese Schuhe den weiblichen Siegeszug ins Rollen?
Was ein Finish! Die Berlin Bombshells liegen aussichtslos hinten, zehn
Punkte Rückstand, noch zwei Minuten. Dann kommt diese Spielerin namens
Master Blaster. Die Stockholmer Gegnerinnen fühlen sich wie im schlechten
Film, als die flinke, wendige Spielerin immer wieder an ihnen
vorbeirauscht. 15 Punkte holt sie im letzten Jam. Das reicht: Berlin hat
das Halbfinale der Roller-Derby-Europameisterschaft gewonnen.
Roller Derby? Nie gehört? Sie werden davon hören, keine Angst. Denn dieser
fast ausschließlich von Frauen betriebene Sport wird auf dem Weg zur
weiblichen Weltherrschaft unumgänglich sein – die Mädels werden uns
schlicht überrollen. Mit untergeschnallten Rollschuhen ziehen sie ihre
Kreise, kämpfen um jeden Millimeter, gehen dabei kompromisslos, hart und
körperbetont zur Sache. „Roller Derby ist absolut feministisch“, sagt
Janina Meyer alias Foxy, Gründerin der Berlin Bombshells. „Das Schöne ist:
Klein, groß, dick, dünn – es ist scheißegal, wie und wer du bist. Beim
Roller Derby findet sich für jede eine Position.“
In der Arena Treptow fand mit dem „Track Queens Battle Royal“ die erste
Europameisterschaft des Sports statt. Etwa 600 Besucher sahen am gesamten
Wochenende eine actionreiche Szenesportart mit hohem Glamourfaktor: Die
Spielerinnen haben sich in eigens angefertigte Wettkampfdresses
geschmissen, viele Tattoos sind zu bestaunen, einige sind im
„Misfits“-Style geschminkt. Und jede hat ihren eigenen Künstlernamen. „I…
glaube, Roller Derby ist vor allem interessant für Frauen, weil das
Gesamtpaket mit Musik und Lifestyle stimmt“, sagt Meyer. Das Motto „You
rock, we roll“ regiert: Punkmusik läuft, während die Track Queens ihre
Runden drehen.
Beim Roller Derby treten zwei Rollschuhteams auf einem kleinen, flachen
Rundkurs auf einer Fläche von 30 mal 18 Metern gegeneinander an. Es geht
nicht um Schnelligkeit, sondern um Punkte. Fünf Fahrerinnen pro Team sind
gleichzeitig auf der Strecke. Nur eine kann Punkte sammeln: die Jammerin.
Ihre Aufgabe ist es, an den vier Blockerinnen, dem „Pack“, des Gegnerteams
vorbeizukommen. Das Pack versucht, sie mit Abdrängen, Rempeln und
taktischen Manövern am Durchkommen zu hindern – und gleichzeitig der
eigenen Jammerin einen Vorteil zu verschaffen. Die Spielzeit im Roller
Derby beträgt zweimal 30 Minuten.
Schon die Vorrundenpartie der Berlin Bombshells gegen Go-Go-Gent am Freitag
ist ein mitreißendes Bout. Auf Berliner Seite jammen Master Blaster und
Apocalypse Meow besonders gut – sie winden sich ein ums andere Mal elegant
um das Genter Pack. Pfeilschnell fahren sie zunächst einen komfortablen
Vorsprung heraus.
In der zweiten Halbzeit holen die Belgierinnen auf. Bei ihnen fährt
PussyPit die meisten Punkte nach Hause. Kein Wunder, auf ihrem
Sportröckchen steht auf beiden Hinternhälften ein unübersehbares „Go“
geschrieben. Dieser Anweisung leistet sie Folge. Nach dem Ausgleich zum
139:139 schafft Gent fast die Sensation und wirft die favorisierten
Bombshells raus. Aber eben nur fast: 167:139 für Berlin heißt es am Ende.
Und gegen Stockholm Derby am Samstag ist dank des turbulenten Bouts die
Hölle los. Zwischenzeitlich hat die schwedische Fangemeinde die
Stimmgewalt, als ihre Roller Girls mit zwanzig Punkten Vorsprung führen.
Die Fankurve der Bombshells stürmt nach dem Sieg die ovale Bahn, um die
Berlinerinnen bildet sich ein johlender Partypulk. Man feiert einen an
Spannung kaum zu überbietenden Einzug ins Finale – 185:181 ist das
Ergebnis. Am gestrigen Sonntagabend dann sollte es noch zum großen finalen
Showdown gegen das vielleicht stärkste Team Europas kommen, die London
Rollergirls.
Die Berlin Bombshells sind vier Jahre nach ihrer Gründung auf 100
Mitglieder angewachsen. Sie trainieren zehn Stunden in der Woche, nehmen
den Sport sehr ernst. Es gibt ein „Travel Team“, das erste Team, dann gibt
es noch das B-Team und eine Anfängergruppe. Übermäßig hart findet Gründerin
Meyer ihren Sport nicht: „Es ist nicht nur brutal und ruppig. Es kann schon
mal ein bisschen rund gehen, aber es ist auch ein sehr taktischer Sport.“
## Erste Welle in den 1930ern
Männer- und Jungenteams sind nach wie vor dünn gesät. Die ersten bilden
sich gerade, während die Frauen in Deutschland schon seit 2007
gegeneinander antreten. Für die Männer sei die Frauendomäne zum Teil auch
einschüchternd, sagt Meyer. „Klar, alle sagen immer, wie cool sie’s finden,
wenn sich da toughe Frauen umhauen“, sagt sie, „aber wenn dann eine toughe
Frau vor einem steht, sieht das schon anders aus.“
Die erste Roller-Derby-Welle gab es in den USA in den 1930er Jahren, in den
USA erlebte sie schon Ende der 1990er ihre Renaissance. Etabliert ist
Roller Derby bei weitem noch nicht, aber das Londoner Team durfte in diesem
Jahr immerhin schon bei der Eröffnungsfeier zu den Olympischen Spielen
dabei sein. Der Olymp rückt also näher für die Rollerderby-Girls – und die
weibliche Weltherrschaft auch ein bisschen.
18 Nov 2012
## AUTOREN
Jens Uthoff
Jens Uthoff
## TAGS
Sport
Schwerpunkt taz Leipzig
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