# taz.de -- Trendsport: Ohne doppelten Boden | |
> Ungesichert, aber nicht ganz so hoch: Bouldern ist das neue Klettern - | |
> und wird immer populärer. Inzwischen gibt es schon drei Hallen in Berlin. | |
Bild: Wer's kann, darf auch mal aus der Halle raus. | |
Eine Wand ohne Absicherung hochzuklettern, ist für Christopher Link nichts | |
Besonderes. Bouldern nennt sich seine Sportart. Christopher Link betreibt | |
sie meistens mehrmals pro Woche und meistens im „Kegel“. So heißt die Halle | |
auf dem ehemaligen RAW-Gelände in Friedrichshain. Der angeschlossene, zum | |
Klettern fitgemachte Bunkerturm mit dem spitzen Dach gibt ihr den Namen. | |
Betritt man die Halle, weht einem der Geruch von Schweiß und Holz entgegen. | |
Steile Wände ragen schräg in die Halle, Frauen und Männer hangeln sich an | |
bunten Griffen daran entlang. Link, 31 Jahre alt und gelernter Metallbauer, | |
sitzt an der Bar, um über seinen Sport zu erzählen. | |
„Als ich vor anderthalb Jahren angefangen habe mit Bouldern, war das alles | |
hier viel kleiner“, sagt er. Heute sei das Gelände fünfmal so groß – aber | |
auch fünfmal so voll, mit Menschen jeden Alters: „Die Jüngsten, die mit mir | |
üben, sind zehn Jahre alt, die Ältesten über sechzig.“ Immer mehr Menschen | |
kämen zum ersten Mal, erzählt Link – so wie er selbst im Juli 2010. Er kam | |
über einen anderen Sport zum Bouldern: Den Fußball. „Bei der WM 2010 gab es | |
hier vor der Halle ein Public Viewing. Doch anstatt auf die Leinwand habe | |
ich eher auf die Leute geschaut, die am Kegel rumgeklettert sind.“ Damals | |
ging Link noch ins Fitnessstudio, aber eigentlich sei ihm das längst über | |
gewesen, sagt er: „Diese ganzen aufgepumpten Typen konnte ich nicht mehr | |
sehen.“ Nur eine Alternative habe ihm noch gefehlt. | |
Wie Bouldern funktioniert, ist schnell erklärt: Entweder in der Halle oder | |
an einer Felswand im Freien klettert man in verschiedene Höhen – in der | |
Halle maximal 4,30 Meter, an einer Felswand auch schon mal 10 Meter. Im | |
Gegensatz zum Klettern ist man dabei völlig ungesichert – Verletzungen sind | |
keine Seltenheit. „Meist passiert das aber aus Unachtsamkeit“, sagt Link. | |
Dass immer etwas schiefgehen kann, macht für ihn auch den Reiz des Sports | |
aus: „Man ist gezwungen, sich mit der Gefahr auseinanderzusetzen, und | |
lernt, sich selbst einzuschätzen.“ | |
Der „Kegel“ ist nur eine von drei eigens auf Bouldern ausgerichteten Hallen | |
in Berlin. Erst im Dezember eröffnete mit dem Ostbloc an der Rummelsburger | |
Bucht die dritte. „In den anderen Hallen wird es deshalb aber nicht leerer, | |
ganz im Gegenteil“, berichtet Link. Trotz des starken Zulaufs – oder gerade | |
deshalb: Eine richtige Boulder-Szene gebe es in Berlin nicht. „Die meisten | |
Boulderer bleiben gerne ein bisschen für sich“, erzählt Link und meint mit | |
damit auch sich selbst. Nur manchmal komme ein kleiner Teil zusammen, um | |
sich miteinander zu messen – zum Beispiel bei der Berliner Meisterschaft. | |
Seit 2007 findet die immer im Juni im „Kegel“ statt, und auch daran nehmen | |
immer mehr Menschen teil: Mehr als 120 waren es im vergangenen Jahr – | |
doppelt so viele wie noch 2010. Dennoch gebe es auch viele Boulderer, die | |
keine große Lust auf Wettkämpfe hätten, so Link: „Beim Bouldern kämpfe ich | |
in erster Linie gegen mich selbst.“ In dieser Hinsicht sei er ein ziemlich | |
typischer Vertreter seiner Zunft. | |
Mittlerweile, so Link, sei das Bouldern für ihn regelrecht zur Sucht | |
geworden – auch, weil es ganz konkrete Vorzüge habe: „Es ist viel bequemer | |
als richtiges Klettern. Man muss nicht so viel Zeug mitschleppen und kann | |
losziehen, wenn man Lust hat.“ Und: Bouldern ist vergleichsweise billig. | |
„Wenn man einmal die Ausrüstung gekauft hat, kommt man damit gut und gerne | |
zehn Jahre über die Runden.“ | |
Probleme gibt es beim Bouldern trotzdem genug – Probleme nennen sich | |
nämlich die verschiedenen Parcours, die man absolvieren kann. Je nachdem, | |
wie steil der Hang ist und wie günstig oder ungünstig die Punkte verteilt | |
sind, an denen man sich festhalten kann, gibt es für den Kletterer kleinere | |
oder größere Herausforderungen. | |
Probleme ganz anderer Art wiederum bringt die neueste Spielart des | |
Boulderns mit sich: das Buildering. Dabei klettert man ungesichert an | |
Gebäuden oder Bauwerken hoch – oft zum Ärger der Besitzer. Für Christopher | |
Link ist das nichts: „Ich will meine Ruhe haben – das geht schlecht, wenn | |
ich ständig vor den Gebäudeeigentümern weglaufen muss.“ Außerdem kann er | |
den Spaß auch ganz legal haben: Seit kurzem besteigt er als | |
Industriekletterer Gebäude aller Art. | |
1 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Klaas-Wilhelm Brandenburg | |
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