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# taz.de -- Väter in Vollzeit-Elternzeit: Es geht um Jahre
> Zwei Monate nimmt der durchschnittliche deutsche Vater Elternzeit. 14
> Monate nimmt sich „Zeit“-Redakteur Stefan Schmitt für seine Drillinge.
Bild: Trainingslager Kind: Die Zeit mit dem eigenen Baby ist ein Privileg.
Seit Mai bin ich in Elternzeit. „Viel Spaß im Von-der-Leyen-Urlaub“, hatte
ein Freund gefrotzelt. „Warte doch damit, am Anfang braucht ein Kind
sowieso nur die Mutter“, hatte ein Kollege geraten. „Und was ist mit deiner
Stelle?“, fragte meine Oma.
Das Thema steckt voller Projektionen. Es ist politisch. Es geht nicht nur
um ein paar Monate Auszeit, sondern sozusagen um das Gegenstück zur
Forderung nach Frauenquoten. Es geht darum, ob Eltern sich die
Familienarbeit fair teilen.
Tagsüber, wenn ich den Kinderwagen durch die Stadt schiebe, sehe ich Väter
mit Babys, zumindest in den Vierteln, wo man es auch vermuten würde. Doch
auch dort sehe ich mehr Mütter als Väter. Wir Männer sind die Ausnahme. Als
Vater von Drillingen bin ich erst recht Exot.
## Irritierte Blicke
Anders ist es, wenn meine Liebste dabei ist. Dann wird sie mitleidig
gefragt: „Haben Sie denn irgendeine Hilfe?“ Ich werde geflissentlich
übersehen. Die Physiotherapeutin will ihr die neuen Übungen für die Babys
zeigen, nicht mir.
Wenn uns Fremde fragen, wie wir das schaffen mit drei Säuglingen, und ich
dann antworte „Prima“ (oder auch mal: „Geht schon“), ernte ich irritier…
Blicke, die mir zu bedeuten scheinen, ich hätte da ja sicher gut reden.
Als einer der Jungs für eine Operation ins Krankenhaus musste, konnte ich
nicht auf der Station mit den Elternbetten übernachten, weil da sonst nur
Mütter waren. Väter als Besucher ja, aber als Babyzuständige, ganz
selbstverständlich? Nein. Und das scheint weit übers Krankenhaus hinaus zu
gelten.
Ich dachte, wir wären weiter. Waren nicht nach der Einführung des
Elterngelds 2007 die Zeitungen voll von Erfahrungsberichten wickelnder
Väter? Liest man nicht regelmäßig, sie nähmen vermehrt Elternzeit?
## Nur eine Stippvisite
Im Juni veröffentlichte das Statistische Bundesamt eine aktuelle Statistik
zum Elterngeld, die zeigt: Für die meisten Väter ist die Auszeit bloß eine
Stippvisite. Für jene zwei Monate nämlich, um die das Elterngeld länger
gezahlt wird, wenn beide Partner eine Auszeit nehmen. Offiziell heißen die
deshalb „Partnermonate“, umgangssprachlich nicht umsonst „Vätermonate“.
Denn gut drei Viertel aller pausierenden Väter beschränken sich auf ihre
zwei Vätermonate. Da fallen die anderen kaum ins Gewicht, etwa jene
Halbe-halbe-Väter, die sich mit ihren Partnerinnen die Elternzeit teilen.
Noch weniger die paar, die länger oder gar alleine aussetzen.
„Das Geld vom Staat verschenke ich doch nicht“, das Standardargument für
die Zweimonatspause funktioniert auch im konservativsten Umfeld. Aber man
muss nicht lange herumhorchen: Eine längere Auszeit auch nur anzusprechen,
trauen sich viele Männer nicht, Rechtsanspruch hin oder her. Sie fürchten
den Karriereknick. Das ist nachvollziehbar, wenngleich Studien zufolge ein
Vorurteil. Und der Knick betrifft Frauen natürlich genauso.
Wie lange kann, soll, will ich? Mir hat mein dreifaches Kinderglück diese
Entscheidung abgenommen. Es war klar, dass ich für die Drillinge lange
aussetzen würde, gemeinsam mit meiner Frau. Ganze 14 Monate fehle ich in
der Redaktion, verpasse ich den Flurfunk, werde ich bei meiner Rückkehr
wieder aufholen müssen.
## Ein Privileg
Meine Babys durch ihr erstes Lebensjahr zu begleiten, ihnen auf die Beine
zu helfen und sie in der Krippe einzugewöhnen – das empfinde ich als
Privileg. Endlos könnte ich von Lachen, Staunen und kostbaren Momenten
schwärmen. Jedem Freund würde ich raten: Lass dir das nicht entgehen! Auch
weil ich spüre, dass ich für meine Kinder genauso Bezugsperson werde wie
ihre Mutter – eine Gleichwertigkeit, die vielen Männern lange verwehrt
blieb.
Gibt es ein schlagenderes Argument für eine lange Väterzeit? Andere mögen
sich ein Jahr Sabbatical nehmen, um die Welt zu umsegeln oder nach Santiago
de Compostela zu wandern. Für mich ist diese Expedition in die
Säuglingswelt ein anstrengendes, großes Glück.
Aber es geht um mehr als 14 Monate, es geht um Jahre. Meine Liebste und ich
wollen mit gleich schwerem Gepäck ins Berufsleben zurückkehren. Beide in
Vollzeit, beide mit Ehrgeiz. Die gemeinsame Elternzeit ist unser
Trainingslager. Indem wir uns die Babyarbeit teilen, gewinnen wir gleich
viel Sicherheit und Routine.
Das scheint mir unerlässlich für die nahe Zukunft, wenn wir Kinder und
Arbeit unter einen Hut bringen müssen. Damit keiner von uns beiden
zurückstecken muss.
27 Nov 2012
## AUTOREN
Stefan Schmitt
## TAGS
Elternzeit
Väter
Kind
Gleichstellung
Elternzeit
Pro Quote
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