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# taz.de -- Putins Rede an die Nation: Vom Macho zum weisen Patriarchen
> In seiner Rede geriert sich Staatspräsident Putin als Modernisierer und
> lobt sein Regierungsprogramm. Erneut geißelt er jede Einmischung von
> außen.
Bild: Sein Auftritt riss keinen vom Hocker: Wladimir Putin.
MOSKAU taz | Am 12. 12. 2012 Punkt 12 Uhr Moskauer Zeit trat Russlands
Präsident Wladimir Putin im Georg-Saal des Kreml vor 1.000 geladene
Honoratioren aus Moskau und der Provinz. Das letzte Mal hatte er 2007 hier
die jährliche Rede an die Nation gehalten. Gerüchte über den
Gesundheitszustand des 60-Jährigen hatten in den letzten Wochen jeden
seiner Schritte begleitet. So war dafür gesorgt, dass von der Tür zum
Rednerpult nur ein Katzensprung blieb.
Der Auftritt war gleichzeitig jedoch auch ein Auftakt. Putins PR-Strategen
schneidern dem lädierten Leader gerade auf die Schnelle noch ein neues
Image. Der sportbegeisterte Macho soll eine Metamorphose zum weisen
Patriarchen durchlaufen, ohne seine Klientel zu enttäuschen. Putin machte
aber einen fitten Eindruck, als wäre die Mutation gar nicht vonnöten. Sein
Pressesprecher hatte ohnehin schon wieder einen Ski-Abfahrtslauf für Januar
angekündigt, ohne die Örtlichkeit zu verraten.
Die traditionelle Rede zur Lage der Nation soll dem Volk die angedachte
Entwicklung für die nächsten Jahre aufzeigen. Der Kremlchef begann mit
Ausführungen zu Moral und Geistigkeit und dem Auftrag der Schule, wieder
Werte zu vermitteln. Das zählt wohl zum unverzichtbaren Standardrepertoire
eines weisen Patriarchen.
Nach 12 Jahren Putin-Herrschaft stellte der Kremlchef „ein Defizit
geistigen Halts“ fest. Insgesamt präsentierte Wladimir Putin Russlands
Entwicklung der letzten Jahre als Erfolg und sein jetziges Programm als
eine „Bewegung nach vorn“. Die Abhängigkeit von der Rohstoffförderung mü…
überwunden werden, meinte er und plädierte für Modernisierung und den
Einstieg in Zukunftstechnologien.
Die Zuhörer applaudierten fleißig, doch der Funke des neu entworfenen
Präsidenten wollte nicht recht überspringen. Man kennt Putins Witze und
Ausflüge in den Jargon der Hinterhöfe, die zwischendurch sonst für
Auflockerung sorgen. Als gemäßigter Orator und Instanz für Seelentiefe
fehlt dieser Kreation noch das gewisse Etwas.
## Fünf „Regeln gewissenhafter politischer Konkurrenz“
Die Vorsitzende des Oberhauses der Duma, Valentina Matwienko, schielte auf
die Armbanduhr ihres Nachbarn, des Leiters der Präsidialadministration.
Ex-Präsident Dmitri Medwedjew schaute an die Decke und kämpfte mit der
Müdigkeit.
Trotz aller Zurückhaltung teilte Putin jedoch auch aus. Wer in Russland
Politiker sein wolle, dürfe kein Geld aus dem Ausland erhalten, sagte er in
Anspielung auf ein neues Gesetz, das NGOs mit finanzieller Unterstützung
aus dem Ausland zu „ausländischen Agenten“ erklärt.
Das ist eine von den fünf „Regeln gewissenhafter politischer Konkurrenz“,
die Putin am Mittwoch vorstellte. Eine andere Regel verbietet die
Einmischung von außen, „da Russland die universellen demokratischen
Prinzipien teilt“. Russische Demokratie bedeute indes die Herrschaft des
russischen Volkes. Russland hätte gar keine andere Wahl, als sich für die
Demokratie zu entscheiden.
Was Demokratie ist, entscheidet jedoch der Kremlchef. Seine Strategie ist
es, die Opposition zu kriminalisieren. Für Sonnabend hat das heterogene
oppositionelle Bündnis wieder zu einer Großdemonstration in Moskau
aufgerufen. In diesem Zusammenhang nahm der Präsident auch noch eine
geschickte Umdeutung vor: Es hatte sich seit den Protesten 2011
eingebürgert, Demonstranten mit höherer Bildung als „kreative Klasse“ zu
bezeichnen.
Stattdessen erklärte Putin nun seine konservativen Parteigänger – Lehrer,
Ärzte und Ingenieure – zur kreativen Klasse. Nebenbei kündigte er an, dass
Politiker Liegenschaften und Wertpapiere im Ausland melden müssten. Der
Kremlchef versucht, verlorenes Vertrauen durch einen imitierten Kampf gegen
Korruption zurückzugewinnen.
12 Dec 2012
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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